Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 4688,fm
Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
50.1988, Heft 1.1988
Seite: 191
(PDF, 35 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1988-01/0193
mal außerordentlich kunstreiche, wenn nicht schon manieristische Lyrikergruppe) heißt es da:
"Sonst genügt es bei einer ganzen Reihe dieser liebenswürdigen Dilettanten, ihre Namen zu nennen
. Hierher gehören der Südbadener Brunwart von Oughein. urkundlich belegt von 1272 bis
1303..." - das ist fürwahr nicht viel - schon besser der altbewährte "Oeftering" (Wilh. E. Oeftering.
"Geschichte der Literatur in Baden... I.Teil". Karlsruhe 1930): " Ins Oberland gehört noch Brunwart
von Ougheim. d.i. von Auggen bei Müllheim, der 1286 urkundlich erwähnt wird. Seine fünf
Lieder sind voll Anmut und bewegen sich mit Geschick auf der durch die großen Meister vorgezeichneten
Bahn...".

Schon jetzt ist uns klar, daß es sich beim neuen Band um eine generelle Aufw ertung unseres Aug-
gener Minnesängers handeln dürfte. Aber mehr noch: für die Autoren gilt es in erster Linie. diesen
in der Großen Manessischen Liederhandschrift vertretenen Sänger aus seinem bisherigen Klischee
(-spätmittelalterlich-höfisch- abgesunken [gegenüber dem "Hohen Minnesang"]) zu individualisieren
und auch historisch und kulturhistorisch ins zugehörige Jahrhundert "einzubauen". Es
geht somit weniger um klassische als vielmehr bereits um triviale Literatur bzw. Lyrik. So erhebt
die vorgelegte Untersuchung einen (berechtigten) Anspruch auf beispielhafte Rekonstruktion
nicht nur literarischer, sondern gesellschaftlicher, sozialer, wirtschaftlicher usw. Lebensformen
und Lebensbedingungen, darüber hinaus galt es hier, die entsprechenden regional-temporalen
Hintergründe aufzuzeigen und ggf. zu durchleuchten.

Das Alltägliche jener Zeit wird entsprechend skizziert. Einerseits dichterische Faszination und
andrerseits "Johannes Brunwart - ein Mensch wie viele andere"! Das Positive: man kennt zahlreiche
Details aus dem Leben des Johannes Brunwart, der "zwischen 1250 und 1300 als Bürger und
Schultheiß von Neuenburg am Rhein gelebt" hatte und "von seiner Umgebung als Verfasser und
Sänger von Liebesliedern geschätzt" wurde. Im Folgenden wird sein Lebenskreis in erstaunlicher
Breite vorgestellt. Heimatkunde und Regionalgeschichte miteinbezogen. Parallelen genannt
(etwa zu Bruno von Hornberg), alsdann die entsprechende Forschungsgeschichte vorgestellt ('Historiker
entdecken den Minnesang / Wissenschaft und Vaterlandsliebe"). Faksimilierungen derTi-
tel jener Literaturgeschichten, die für die Erforschung insbesondere der mittelalterlichen Dichtung
maßgebend, ergänzen die germanistischen Ausführungen, die sich generell mit den Fragen
einer "geschichtlichen Landeskunde ohne Dichtung" und der Anthropologischen Wendung zu
neuen Methoden" befassen. Sowohl den Fachmann wie den Laien setzen manche dieser Ausführungen
zumindest in Erstaunen. Möglich, das hätte man auch kürzer und noch gemeinverständlicher
ausdrücken können. Was andererseits fasziniert, ist dann die Feststellung, daß es nach den
Forschungsergebnissen der Verfasser mehr als fraglich ist. ob die alten immer wieder abgeschriebenen
Lebensdaten überhaupt ihre Gültigkeit behalten können, zumal man sich die Mühe gemacht
hat. die Herkunft Brunwarts archivalisch exakt zu überprüfen und auch ein jedes Environs
exakt und kritisch genug zu durchleuchten. So ersteht "ein neuer Brunwart - als Adliger zwischen
Habsburg und Freiburg - als Bürger und Beamter - und auch als Minnesänger". So gesehen, wird
der bis dahin klischierte Minnesänger vom Podest herabgeholt und so und so vermenschlicht. Nun
aber sehen die Verfasser die Chance für gekommen, über den Minnesang schlechthin und von bestimmten
Aspekten aus zu diskutieren (vor allem im Sinn der Romantik, einerseits bei Ludwig
Lieck, und andrerseits in den Zeichnungen Philipp Otto Runges). Das führt dann weiter zu den
Mittelalter- und Minnesangverherrlichungen eines Friedrich Wolters (George-Kreis) und in einer
Art Zirkelkreis zurück zu den "Lebensbedingungen des Minnesangs" und zu altem-neuem literarischen
Leben. Zahlreiche Anmerkungen schließen an und sollen die Theorien erhärten, was freilich
nicht immer und nicht immer ohne weiteres gelingen dürfte.

Es folgt ein neuer Buchteil: "Johannes Brunwart - sein Leben und seine Umgebung*. Vorbildliche
Lokalgeschichte wird in der Regel mit größeren Zusammenhängen (etwa im Hinblick auf die
Zähringer, speziell auf Neuenburg und dann auf die Burg[en]) in Auggen demonstriert. Es liest
sich geistreich, auch wenn man dies und das als Abschweifungen empfinden würde. Zudem, es soll
ja das alles symptomatisch gesagt sein.

Endlich kommt dann die farbige Wiedergabe des Herrn von Auggen aus der Manessischen
Handschrift sowie die Wiedergabe (in Original und neuhochdeutscher Übertragung) der 5 überlieferten
Minnelieder, dazu nur soviel gesagt werden kann, daß es sich um ursprüngliche volkhafte,
aber nunmehr künstlerisch überhöhte Liebeslyrik handelt. Die Interpretationen schließen an und
machen gewiß germanistischen Auslegungs- und Darlegungsversuchen viel Ehre.

Besonders aufschlußreich sodann Zur Rezeption - Brunwart und die Nachwelt". Das setzt mit
den Schweizern Bodmer und Breitinger ein und würdigt die Romantiker ebenso wie gewisse vaterländische
Interpretationen. Erfreulich, daß auch Josef Baders Studie gebührend berücksichtigt
wurde. Hingegen wird an der relativ negativ ausfallenden Kritik des Germanistikaltmeisters
Friedrich Heinrich von der Hagen längst fällige Kritik geübt: "Das Urteil... war nicht dazu angetan
. Brunwarts Liedern zu mehr Beachtung zu verhelfen...".

191


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1988-01/0193