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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
51.1989, Heft 2.1989
Seite: 96
(PDF, 34 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1989-02/0098
sei mit der Absicht, bei St. Louis, das jetzt "Bourglibre" hieß, nach Frankreich einzureisen
. Aber an der streng bewachten Grenze wollte man ihn nicht durchlassen, hatte doch
der Konvent ein Gesetz verabschiedet, das die Einreise von Deutschen beiTodesstrafe
verbot. Doch Bronner bleibt hartnäckig, und so sind die Grenzwachen schließlich bereit
, ihn zum "Bürger Sous-General" nach Bourglibre zu bringen, damit der in der Angelegenheit
entscheide. Vor diesem stellt sich Bronner so leidenschaftlich als französischer
Patriot dar, daß man ihn wenigstens nicht abweist, sondern fragt, ob er s zufrieden
sei. zum General nach Blotzheim geschickt zu werden.

"Ei. was liegt mir an einem kurzen Gange ?" rief ich aus. "um das Glück, ein französischer
Bürger zu werden, liefe ich Ihnen nach Rußland und wieder zurück. "Man lachte
laut auf, klatschte in die Hände, und ein dicker Herr obenan der Tafel schrie mit kreischender
Stimme."Ecoutez. Citoyens! n'est-il pas un enrage"* Da wagte ich 's im Ärger,
dem schlimmen Tadler auch einen französischen Brocken aus meiner Farbik zuzuwerfen
. "Heureuse la France!" rief ich aus. "si ma rage aurait pris tous les Francais!"**
Man lachte, klatschte noch einmal und entließ mich.

Auch den General in Blotzheim beeindruckt Bronner durch revolutionären Eifer,
und so stellt man ihm endlich den begehrten Paß aus. Mit der Warnung versehen, ja
nicht vom Wege abzuweichen, wenn er als Fremder nicht unter die Guillotine geraten
wolle, macht er sich auf nach Colmar. Die Reise wird zu einer Einführung in die Lebensverhältnisse
der Jakobinerrepublik. Schon an der Grenze hat Bronner lernen müssen
, daß man hier weder den Hut zieht noch jemanden mit "Mein Herr" anredet. Jetzt
ruft ihm aus dem Fenster ein Bauer nach: "Seht ihr den Volksfeind dort? Er trägt nicht
einmal eine Kokarde. Willst du die Nationalfarben aufstecken, du aristokratische Bestie
?" Bronner beachtet ihn nicht und geht seinerWege - "aber ich nahm mir vor, sobald
ich Gelegenheit fände, eine dreifarbige Kokarde zu kaufen". Andere Bauern sprechen
bald halbleise und furchtsam, bald schreiend und fluchend von den "Gottlosigkeiten
und Greueln" der Nationalversammlung in Religionssachen. Überhaupt nimmt Bronner
ein Klima der Unzufriedenheit und des Mißtrauens aller gegen alle wahr. Er ist selber
davon betroffen, als ihn ein Soldat an der Sprache und an der Glatze als deutschen
Pfaffen erkennt und barsch seinen Paß verlangt. Deshalb wird ihm "wärmer ums
Herz", als er endlich die Türme Colmars vor sich sieht. Doch hier entwickeln sich die
Dinge anders als erwartet. Bischof Martins Persönlichkeit stößt ihn eher ab. und vieles
an seiner neuen Tätigkeit erinnert ihn fatal an seine Einengung in Donauwörth und
Augsburg, der er doch für immer entfliehen wollte. Ist das Colmar des Jahres 1793 wirklich
der Ort. an dem sich all seine Bedürfnisse nach Selbstverwirklichung und vernunftgemäßer
Betätigung erfüllen können?

Den 28. Dezember schlenderte ich. ehe ich den Bischof besuchte durch einige Gassen
der Stadt, lüstern, etwas Interessantes zu beobachten. Am hohen, buntgeschmückten
Freiheitsbaum vorüber kam ich zur Münsterkirche, über deren Hauptportal mir
eine sehr große schwarze Tafel in die Augen fiel, auf der mit goldenen, kolossalen Buchstaben
die Inschrift glänzte .Temple de la raison, Tempel derVernunft. "O, möchtest du
ihr im Ernste geweiht sein." dachte ich. "möchte die Vernunft wirklich irgendwo einen
Tempel haben und Menschen, die ihr gehorchen! Aber hier ist nicht alles so richtig. Ich
fürchte, nur Zwang oder Neugierde führt zu diesem Gebäude." So gern ich 's gesehen
hätte, wenn das Volk die Religion derVernunft, das Naturgesetz allein, so wie es mehrere
der besten Schriftsteller darstellen und die meisten denkenden Menschen erken-

* Hört. Bürger! Ist er nicht ein Besessener?

** Glücklich wäre Frankreich, wenn meine Besessenheit alle Franzosen ergriffen hätte!

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