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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
52.1990, Heft 2.1990
Seite: 54
(PDF, 30 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1990-02/0056
Zeitungsmeldungen über Verhaftungen klar. Warnend werden auch die Urteile des zunächst
für Lörrach zuständigen Sondergerichts Mannheim veröffentlicht: Im August 1933 ein Jahr
und acht Monate Gefängnis für einen Bildhauer aus Lörrach, der einen Packen illegaler
Flugblätter verwahrte; zuvor im Mai jeweils ein Jahr Gefängnis für eine 28 und eine 18 Jahre
alte Lörracherin. die kommunistische Flugblätter sowie den "Basler Vorwärts" über die
Grenze schmuggelten. Und so immer fort.

Es ist nicht möglich, das ganze Ausmaß der Verfolgung durch die Gestapo darzustellen. Die
Lörracher Dienststelle, bis 1939 im Bezirksamt (heute Notariat) und dann in der unteren Villa
Aichele am Werk, hat ihre gesamten Akten am Tag vor dem Einmarsch der Franzosen
verbrannt.551 Die den Terror überleben, haben es später schwer, ohne Aktenbelege als politisch
Verfolgte anerkannt zu werden. Haftlisten und Strafprozeßregister der Staatsanwaltschaft
Lörrach aus den Jahren 1934 bis 1945 sind von den Franzosen mitgenommen worden, ebenso
die Gefangenenbücher der Vollzugsanstalt.56'

In den Lageberichten des Geheimen Staatspolizeiamtes Karlsruhe stößt man lediglich auf
Ausschnitte aus der Ermittlungsarbeit der Staatspolizei in Lörrach. Immer wieder werden
"marxistische Flugblätter" auf Straßen verstreut gefunden: immer wieder Kommunisten
verhaftet. Für einen besonders emsigen Lörracher Gestapo-Mann schlägt Karlsruhe im Juni
1936 50 Reichsmark Belohnung vor. Besonders hervorgehoben werden Ermittlungen gegen
hiesige Pfarrer, die kritische Töne haben verlauten lassen.

Gestapo foltert im Aichelepark

In Lörrach weiß man allein schon aus der Zeitung von der hartnäckigen Verfolgung jener,
die sich nicht so ohne weiteres beugen wollen. Zumindest ahnen viele, was bei der Gestapo vor
sich geht: daß dort auch gefoltert wird. Die Leute der Gestapo (die Führer meist Fremde, die
anderen v on hier) rufen bei Bedarf einen athletischen Mann aus der Stadt zu sich. Der hat sich
bereits bei der SA als Schläger einen Namen gemacht. Ihn läßt man nun los auf stumm
bleibende Verhaftete. Menschenleben haben keinen großen Wert. Wer will die Gestapo zur
Rechenschaft ziehen?57'

Ein Einzelfall aus dem Jahr 1940: Am 1. Januar wird nachts an der Grenze der Kölner Albert
Richter festgenommen. 1932 gefeierter Weltmeister der Amateur-Radsprinter; wahrscheinlich
hat Richter seinem emigrierten Trainer Ernst Berliner folgen wollen. Am 2. Januar meldet
das Amtsgericht den Tod Richters: erhängt im Gefängnis. Von Freitod wegen versuchten
Devisenschmuggels (so wird es Richters Familie mitgeteilt) kann aber nicht die Rede sein. Ein
alter Lörracher. Paul Herbster, weiß, daß die Angehörigen damals den Sarg in Lörrach abholten
und öffneten, als sie die Stadt hinter sich hatten. Albert Richter war schwer geschlagen und mit
drei Schüssen getötet worden.

Ein kurzer Sprung hinaus aus dem Dritten Reich. 1945 sind französische Soldaten in die
Gestapo-Dienststelle im Aichele-Park eingezogen. Als sie das Quartier bald verlassen,
bekommt ein Lörracher gegenüber in der Basler Straße den Hausschlüssel. Der holt seinen
Nachbarn, den alten Sozialdemokraten Hermann Glatt, und führt ihn durch die untere Villa
Aichele. Im Keller, die Fenster sind mehrfach abgedichtet, sieht Glatt Daumenschrauben.
Streckgeräte, mechanische Peitschen. Als er zu Hause der Familie berichtet, laufen ihm Tränen
über die Wangen: "Uns gegenüber geschieht so etwas...". Glatts Nachbar hat nachts immer
wieder tierische Schreie gehört aus der Richtung der Villa.

Weniger bekannt als die Gestapo ist damals der Sicherheitsdienst (SD) der SS. Heute weiß
man Genaueres über seine Tätigkeit in Lörrach als über jene der Gestapo dank eines
umfangreichen, nach dem Krieg aufgenommenen Vernehmungsprotokolls einer ehemaligen
Schreibkraft.

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