Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 4688,fm
Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
52.1990, Heft 2.1990
Seite: 152
(PDF, 30 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1990-02/0154
Claude Guizard:
Festansprache

Sehr geehrte und liebe Hebelfreunde.

Wie ist es gekommen, daß in diesem Jahr der Hebeldank gerade mir überreicht wurde?
"Kannitverstan"!

(wie die bekannte Geschichte dieses Schutzpatrons betitelt ist).

Ich bin weder ein Dichter von Beruf noch ein Politiker, und ein gebürtiger Elsässer bin ich
auch nicht. Deshalb frage ich mich: warum eine solche Ehre für einen einfachen Verwalter?
Das klingt und klingelt wie das Hebeische Leitmotiv:

"Kannitverstan"!

Vielleicht, weil ich ein geistiger Gastarbeiter aus "drüben" bin, weit über den Vogesen - eine
Art "Geistarbeiter", der sich in diesem Dreiländereck in eine heimliche Sprache verliebt hat,
zuerst mündlich an der Volkshochschule und dann schriftlich am Schreibtisch.

Und bald ist ein "Kind" geboren, in dem ich meine Liebe zu einer Landessprache lesen
kann.

Ja, mein letztes Kind ist ein Buch: "Schatz vum Wortschatz" - übersetzen wir das Kronjuwel
im Rahmen des Rheingoldes - und ich glaube schon, daß ich als schriftlicher Vater, als
"Kindsteller" jenseits des Rheins, dieser europäischen Brücke, geehrt wurde...

sonst "Kannitverstan"!

Wahrhaftig ist Johann Peter HEBEL nicht nur der Dichter unserer Gegend, sondern auch ein
Dichter unserer Zeit. Er bleibt heute noch der bedeutendste alemannische Mundartdichter, so
wie er gestern, im 19. Jahrhundert, die Symbolfigur für die deutsche Mundartdichtung war.

In seinem Werk herrschen Humor, Ernst und Frömmigkeit. Seine warme und bunte, naive
und sinnliche Sprache kann man nicht vergessen, genausowenig wie den Duft eines Mädels
oder ein Volkslied.

HEBEL sah alles mit Kinder-Augen, aber er fühlte alles mit einem Christen-Herz, und durch
sein Heimweh hat er seinen Himmelweg gefunden.

Ja, die "Alemannischen Gedichte", diese "Kinder des Heimwehs", begründeten vor 200
Jahren die mundartliche Dichtung.

HEBEL hat verstanden, wie er die Hauptthemen der Volksgesinnung und Volkssagen
auffassen und das Leben und Fühlen des alemannischen Landvolkes ausdrücken konnte.

Durch eine seltsame Sprech - und Schreibart macht er ein ganzes Land und ein ganzes Volk
lebendig, und dies für die Ewigkeit.

Will man Hebels Atmosphäre wiederfinden, so braucht man nur durch diese Gegend, in dem
Winkel des Rheins, herumzulaufen.

Denn: "Wer den Dichter will verstehen

Muß in Dichters Lande gehen"...

Hebels Werk sieht dieser Gegend, dem Dreiländereck, ähnlich:

- Heiterkeit des Himmels und des Stils,

- Fruchtbarkeit der Erde und der Wörter,

- Mannigfaltigkeit der Landschaft und der Bilder,

- neckische Sprachweise in beiden, Werk und Land.

Also, das Dreigrenzenland, nicht wahr, dieses Dreieck stellt ein echtes Herzstück, einen Teil
und. wenn ich so sagen darf, einen Keil Europas dar.

In seinem Werk habe ich nämlich gefunden - um den Titel eines Buches des österreichischen
Schriftstellers Peter HANDKE zu zitieren: die "Stunde der wahren Empfindung".

152


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1990-02/0154