Freiburger historische Bestände - digital

Das Jahrbuch meines Ururgroßvaters
Johann Georg Schöny (1793 - 1864) aus Steinen

Vorwort und Redaktion Johannes Pflüger

Vorwort

Der erste Eintrag beginnt unvermittelt: "Das Jahr 1821 war meistenteils naß.." Anschließend
beschreibt er die Jahre 1822/23 und endigt mit: "Geschrieben i. Dez. 1823".

Obwohl Schöny von einem Tagebuch spricht, beschreibt er "die Merkwürdigkeiten" seiner
Zeit Jahr für Jahr: es ist also eher ein Jahrbuch. "Merkwürdigkeiten" waren für ihn: Witterung
und Naturereignisse, die Familie und das politische Geschehen.

Das Wichtigste für ihn war aber das Wetter und seine Folgen. Wohl und Wehe der
bäuerlichen Bevölkerung hingen damals von den jährlichen Ernten ab. Der Wirtschafts-
Kreislauf war - vor dem Bahnbau (Rheintal 1840-55) - noch kleinräumig. Ausführlich
beschreibt Schöny daher den Wetterverlauf, die Erträgnisse und die daraus resultierenden
Marktpreise. Für uns heute fast langatmig; aber schließlich ist es doch aufschlußreich, von
einem Zeitgenossen zu erfahren, wie Menschen vor 150 Jahren in unserer Heimat gelebt
hatten, leben und leiden mußten.

"Politische Merkwürdigkeiten" gab es für den Chronisten- nachdem man die napoleonischen
Kriege überstanden hatte - nur spärlich: z.B. 1828 das 100-jährige Geburtstags-Jubiläum
des Großherzogs, 1829 der griechische Unabhängigkeitskrieg. 1830 die Juli-Revolution in
Paris, 1833 der Basler-Kantonsstreit - meist nur kurze Notizen. Ganz anders das Jahr 1848:
Schöny beschreibt es als eine "...neue Lebensepoche für das jetzt lebende Menschengeschlecht
." Und er fährt fort: "Bis dahin wird nur von guten und schlechten Jahrgängen
gesprochen. Von jetzt an steht aber in Aussicht, daß man auf viele Jahre vielleicht politische
Merkwürdigkeiten hier aufzeichnen könne.."

Mit wachem Geist erfaßt er das Wesentliche dieser ersten deutschen Revolution: es "sollte
dem Volke mehr Freiheit im bürgerlichen Leben gegeben werden", und "ganz Deutschland
sollte zu einem Staat mit gleichen Grundrechten werden".

Dennoch zählte er sich zu den "der guten Sache treu gebliebenen Männern", treu ergeben
dem Großherzog natürlich.

Das war aber keine blinde Ergebenheit. Ausdrücklich anerkannte er, daß in Baden bereits
vor der Revolution "fürstliche Wohltaten" gewährt worden waren, wie "Pressefreiheit.
Schwurgericht. Versammlungsrecht.." u.a.m. Zum andern gehörte er mit 55 Jahren zu den
Alten, wohl auch Etablierten im Dorf; neben seiner Landwirtschaft bekleidete er damals drei
Amtsstellen als Ratschreiber, Acciser (Gemeinderechner) und Postexpeditor. Verständlich,
daß ihm revolutionäre Gedanken fern lagen!

Dennoch, die 48-iger Ideen und -Ereignisse hatten Schöny stark beschäftigt: das ist
jedenfalls mein Eindruck. Am 19. März 1848 hatte er an der "Volksversammlung ausgeschrieben
nach Offenburg" teilgenommen: seine Revolutions-Berichte nehmen einen breiten Raum
ein. Leider hatte er es aber unterlassen, die Einträge der Jahre 1848-52 mit Daten zu versehen.
Die vielen Einzelheiten zu Beginn lassen zwar den üblichen Jahres-Eintrag vermuten, er
könnte aber auch einen größeren Teil im nachhinein niedergeschrieben haben.

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