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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
53.1991, Heft 2.1991
Seite: 156
(PDF, 32 MB)
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gern persönlich kennenlernen. Die oben zitierte Widmung hatte Rathenau in seinen mitgesandten
Band Zur Kritik der Zeit' hineingeschrieben. Selbstverständlich hat Burte die beiden
Bände Rathenaus (der andere waren dessen 'Reflexionen') gelesen und vor allem in ihren
Fragestellungen für gut befunden (beide Autoren waren ja auf jeweils ihre Weise deutschpreußisch
-national gesonnen). Burte gibt auch zu, daß ihn der Zuspruch des 'dillettierenden
Großen' (wie Rathenau sich selbst in seinem Brief bezeichnet hatte) faszinierte. Dann kommt
es anläßlich einer Reise Rathenaus nach Laufenburg am Hochrhein (wegen des sich damals
im Bau befindlichen Kraftwerks) zur persönlichen Begegnung. Erinnert sei in diesem
Zusammenhang an Emil Strauß' Novelle Der Laufen' (als Erzählung erstmals Sept. 1934),
in der der Kraftwerkbau bedauert wird - im Gegensatz hierzu anerkennt Burte trotz aller
romantischer Erinnerungen den Eingriff der Technik ('Der wilde Rhein war schön, aber der
gebändigte auch. ). Es folgt die Beschreibung Rathenaus: 'Ein großer schlanker Mann von
souveräner Haltung ... Rathenaus Kopf mit der hohen Stirne. der breiten kurzen Nase, den
vollen Lippen, dem Spitzbart, den großen Buddhaohren, dem merkwürdig hohen steilen und
kahlen Oberkopf...'. Dichterisch eindringlich gestaltet Burte die Szene, als sie beide an den
Rhein hinabgehen, um den Bau zu besehen. Es gelingt ihm mühelos und ohne sich zu quälen,
Natur und Technik in ihrem Spiel und Widerspiel auf sich wirken zu lassen. Rathenau
rangiert als fachkundiger Führer (mitunter fast ein Szenarium, das an Dantes Führung durch
Vergil erinnert); unwillkürlich erreichen die Gespräche auch eine gewissse Symbolkraft ('...
man muß Glück haben' - 'Was heißt das?' - 'Eins sein mit dem Element!'). Burte zitiert ebenso
Shakespeare wie Nietzsche und Bacon; es zeugt alles von fundierten Kenntnissen und
dichterischer Anschaulichkeit, freilich auch von einem Bekenntnis zu Kraft und Stärke und
einem Schuß Pantheismus.

Anschließend fährt man mit dem Zug 'in Gesellschaft der Bankherren und Werkdirektoren
nach Basel'. Wieder dichterisch-allegorisch das Abbrechen eines blühenden Fliederzweiges:
Rathenau fing an in der zartesten und zärtlichsten Art über diese Pflanze zu sprechen ... es
war schön, ihm zuzuhören', und man entnimmt dem Geschilderten die Hochachtung Burtes
gegenüber der Rathenau'schen Belesenheit, so etwa, wenn 'er davon sprach, wie richtig
Gerhart Hauptmann in seinem Roman "Atlantis" ... den Umstand geschildert hatte, daß ein
großes Schiff untergehen kann, ohne daß die Fahrgäste in gewissen Teilen des Schiffes es
bemerken...'.

Nachdem man sich von den Mitreisenden, 'von diesen ehrwürdigen hochmögenden
Herren', getrennt hatte, aßen die beiden im Gasthaus 'Schlüsselzunft'. Geistiges mischt sich
anerkennend mit Materiellem: 'Es ist ein schönes Gefühl zu wissen: ich kontrolliere allein
in der Schweiz fünfzehnhundert Millionen, (aber) zu fühlen, demütig, daß diese Macht nichts
anderes ist. als Verantwortung...'. Für Burte bleibt das Menschliche an Rathenau das Primäre.
Seine Parallelen ä la Spinoza berühren allerdings peinlich und überzeugen nicht, hingegen
wirken seine Schilderungen des Asketischen beeindruckend. 'Rathenau sprach weit besser
als er schrieb und, darauf war er stolz, völlig dialektfrei...'. Vergleiche mit Goethes
Frankfurterdialekt und Schillers Schwäbeln kann sich Burte nicht verkneifen (wobei es
verwundert, daß Burte hier den Dialekt kritisch bzw. nachteilig sieht und einordnet).

Im Anschluß an das Mittagessen kommt es noch zu einem Basler Spaziergang: Rathenau
bewundert, und Burte zieht Parallelen zu Erasmus' Äußerungen über das Basler Stadtbild.
Eine Gegenüberstellung von Basel und Berlin bringt einiges: das Liebenswürdige, das
Athenische einerseits, und das Männliche, das Spartanische andrerseits. 'Das Berlin der
Wiedergeburt... er (Rathenau) erzählte mir. daß Architektur seine Neigung sei. - Er hatte von
der preußischen Krone den ehemaligen Sommersitz der Königin Luise, das königliche
Schloß in Freienwalde gekauft, unter sehr stolzen Bedingungen seinerseits, es wieder in
Stand gesetzt

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