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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
54.1992, Heft 2.1992
Seite: 137
(PDF, 34 MB)
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höchsten Baubeamten des damaligen Großherzogtums Baden. Gleichzeitig ist er Professor
am Polytechnikum Karlsruhe und damit ein bedeutender Lehrer für einen Großteil der
badischen Architekturstudenten. In seiner Mitarbeit am "Handbuch der Architektur" dokumentiert
er sich als ein fundierter Architekturwissenschaftler, der seine Bücher mit Plänen
und sehr gewandten Zeichnungen zu illustrieren versteht. Ebenso finden sich Durm-
Zeichnungen und -Texte ab 1886 in den Inventarbänden "Kunstdenkmäler des Großherzogthums
Baden", so im Band 5: Kreis Lörrach, 1901.

Dürrn ist also zweifellos ein bedeutender Mann. Sein Ruhm dringt auch weit über die
Grenzen Badens hinaus: 1890 wird er für ein wissenschaftliches Gutachten über die
Ausgrabungen Schliemanns und Dörpfelds in Troja herangezogen; 1895 lädt man ihn ein.
zusammen mit einem englischen und einem französischen Kollegen den erdbebengeschädigten
Parthenontempel in Athen zu restaurieren. Auch Dürrn selbst kennt seine Bedeutung.
Er gibt sich betont selbstbewußt, oft überheblich und autoritär. Somit schafft er sich viele
Feinde, die geschilderte Pressefehde ist hiervon nur ein Beispiel.

Dürrns Werkliste zeigt eine wahre Vielzahl von Bauten. Überraschend ist, daß er neben
seiner Tätigkeit als oberster Baubeamter doch soviel eigene Architektur erstellen kann. Für
Schopfheim ist bemerkenswert, daß er vor der dortigen Stadtkirche offenbar keine Kirche
gebaut oder geplant hat. Es ist vielleicht auch beachtlich, daß der Katholik Dürrn als erste
Kirche eine protestantische baut.

Betrachten wir die Stilhaltungen, so gibt uns die Werksliste einen wertvollen Aufschluß.
Dürrns Bauten vor den Kirchen von Schopfheim und Badenweiler, private und öffentliche
Architektur, sind, wie auch immer diese stilistisch klassifiziert werden sollen, nie neugotisch
. Der Konstanzer Kritiker hat hier also recht: Dürrn ist als Architekt Neuling im
protestantischen Kirchenbau und Neuling im "gotischen" Bauen. Andererseits hatte Dürrn
als Baubeamter jahrelange Erfahrung im Prüfen und Begutachten sämtlicher staatlicher
Bauvorhaben, darunter natürlich auch Kirchen.

Meine Absicht ist es jedoch nicht, in jenen Pressestreit einzugreifen, es liegt mir vielmehr
daran, das Phänomen "Neugotik" etwas aufzuschließen. Wir konnten bereits erkennen, daß
diese Stilrichtung verschiedenste Strömungen enthalten kann (vgl. G. Germann: Neugotik.
Geschichte ihrer Archtitekturtheorie.) Ich möchte die komplizierten Theorien dieser Stilepoche
nicht einzeln darstellen. Die Erkenntnis, daß es nicht legitim ist. die Qualität
neugotischer Architektur an dem Grad ihrer LT^ereinstimmung mit den Formen mittelalterlicher
Bauten festzumachen, mag in unserem Zusammenhang genügen. Insoweit geht die
Argumentationsmethode der Pressekontrahenten weitgehend am Streitobjekt, der Evangelischen
Stadtkirche in Schopfheim, vorbei.

Versuchen wir Heutige eher mit Erfahrungen etwa der sogenannten Postmodernen
Architektur, die Stilzitate kennt, oder mit dem Prinzip Collage in der Kunst des 20.
Jahrhunderts einem Bauobjekt des 19. Jahrhunderts nahezukommen. Befassen wir uns mit
dem Bau selbst, untersuchen wir, was dieser und was Vergleiche sagen. Ich werde historische
Bauten heranziehen, möchte aber wertende Vergleiche vermeiden.

An der Evangelischen Stadtkirche in Schopfheim unterscheiden sich am Außenbau
deutlich zwei Hauptkomplexe: der stehende des Turmbereiches und der liegende des
Kirchenschiffes ( Abb. 5, Ansicht. Zeichnung 1). Das Schiff selbst hat eine klare Längsrichtung
und eine fast ebenso wirkungsvolle Querrichtung, so daß beinahe der Eindruck eines in
sich ruhenden Gebildes entsteht. Vom Chor her zeigen sich drei gleichgestaltete Gebilde: das
etwas längere Chorpolygon und die beiden Enden der Querschiffe (Abb. 7). Alle drei
polygonalen Abschlüsse enden mit den fünf Seiten eines regelmäßigen Achtecks, dem
sogenannten "Fünfachtelschluß". Die Anordnung von Chor und Querschiff erinnert im
Grundriß an ein dreiblättriges Kleeblatt. Verwandt ist diese Form sicherlich Chor und

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