Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 4688,fm
Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
54.1992, Heft 2.1992
Seite: 159
(PDF, 34 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1992-02/0161
sich als Pionier der Völkerverständigung, die nicht nur am Grünen Tisch, sondern eben vom
Volk praktiziert werden sollte.

Doch das Regionale genügte schon bald nicht mehr. Die Medien nicht nur. sondern die
gesamte Apparatur der Technik, das Zivilisationsfernweh und das neuerw achte Lebensgefühl,
die unbedingte Lebensbejahung der Nachkriegsjahre sorgten dafür, daß man sich erweiterte,
daß der Begriff der Heimat sich in Welterfahrung und Weltfreude auflöste. Die Organisationslust
und der Prestigegewinn der Amtlichen und Halbamtlichen oder auch einzelner bewirkte
das ihre: Städtepartnerschaften sollten zum Brückenschlag und zur Völkerverständigung
inszeniert werden. Kein Wunder, daß nunmehr eine Art Wettlauf nach entsprechend günstigen
oder auch ungünstigen Partnerschaften florierte. Eigens eingesetzte Delegationen hatten zu
eruieren und zu recherchieren: das durfte kosten und sich Zeit nehmen, wurde es doch nach und
nach weniger von Idealisten als von Beauftragten bzw. von den Managern finanziert. Und
irgendwelche Gemeinsamkeiten fanden sich immer, gleich ob man die Geschichte, die
Mentalität oder was sonst zu Rate zog. Einmal häßlich gesprochen: je entlegener eine
angestrebte und hernach realisierte Partnerschaft, desto faszinierender mochte es sein, in mehr
oder weniger halbamtlicher Mission zu reisen, zu verhandeln, zu unterzeichnen und zu feiern!
Das Nachbarland genügte nicht mehr, ja selbst Europa wurde zu eng. und in den 80er Jahren
wurde man zunehmend transkontinental, gleich ob nach Amerika oder in den Fernen Osten.
Gerade die Kapazität der mittleren und der größeren Städte schuf hier 'Einmaliges' und bisher
Unglaubliches: es wurden Partner gefunden, die man bis dahin nicht einmal von der Landkarte
her kannte.

Um jedoch dem Verdacht zu entkommen, demzufolge man auf höherer Ebene solche
Ententes cordiales' nur aus egoistischen und Prestigegründen ins Leben gerufen hätte (ob und
wie lange sie leben w ürden, stand weniger zur Debatte), wußte man sich in der Regel geschickt
zu helfen: man organisierte Jugendtreffen, gleich ob für Schüler oder für Studierende, das
konnte zustande kommen, weil man mit öffentlichen Mitteln der zuständigen Ministerien
rechnen konnte und weil man genau wußte, daß der 'Kleine Mann' für seine Jugend alles tun
würde, was ihm versagt geblieben war. weniger weil er ein Versager war. sondern weil der Staat
seinerzeit versagt hatte.

Zugegeben, derartige Experimente taugen weit mehr als der casus belli, sie passen auch in
die Friedens- und Freundschaftsseligkeit unserer Zeit und sind zudem nicht nur Religionsersatz
. Ob man die Dinge eher poetisch oder eher utilitaristisch oder gar als Menetekel sieht: es
läßt die Herzen der Naiven schlagen. Ob Lobby oder völkerkundlich interessierte Laienvereinigungen
: Goethes so häufig falsch zitiertes 'Wozu in die Ferne schweifen?' (sie! - statt 'Willst
du immer weiter schweifen?') ist längst abgetan: das Gute mag noch so nahe liegen, das Glück
aber kann nicht entfernt genug gesucht und nicht gefunden werden.

Man soll die Zeichen der Zeit nicht verkennen, und es wäre töricht und hieße gegen
Windmühlen kämpfen, Städtepartnerschaften heutzutage zu negieren. Doch was in Mode
gelangt, wird auch spontan übertrieben, und dies gilt in jedem Fall für all jene Partnerschaften,
die 'gemacht' und künstlich forciert, nicht aber kreiert und der Allgemeinheit unzugänglich
bleiben, denn dergleichen liegen nach wir vor 'in weiten Fernen' - nur keine papierenen
Kommunikationen und keine Forcierungen des äußeren Lebens', keine Bevormundungen und
Versprechungen, die allenfalls in die Wüste führen, auch keine Ablenkungen und Abhaltungen
von bodenständigem Dasein, denn jede Städtepartnerschaft ist letztlich allenfalls als eine
'Dreingabe' zu werten.

Wir sprachen eingangs von den regionalen und subregionalen Städtepartnerschaften sozusagen
der Ersten Stunde: gerade in unserer 'Regio'-Ecke eine dankenswerte Affäre. Rösselsprünge
aber sind gefährlich, da mögen die Billigtarife der Flugliniengesellschaften noch so
sehr animieren, und auch gegenseitig eingesetzte Honorarkonsule und kompliziert-augenwi-
scherische Vertragskonglomerate und von den Kaufhäusern geschäftstüchtig ersonnene XY-

159


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1992-02/0161