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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
54.1992, Heft 2.1992
Seite: 171
(PDF, 34 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1992-02/0173
Unterschied von Arm und Reich aufs Herz fiel, so "dachte er nur an den Herrn Kannitverstan
in Amsterdam, an sein großes Haus, an sein reiches Schiff und an sein enges Grab": Hebels
eigenes Epikuräertum freilich kommt zu noch überzeugenderem und zugleich bewegenderem
Ausdruck in zwei Strophen aus einem Briefgedicht an seinen Verehrer, den Triberger
katholischen Pfarrer Markus Fidelis Jäck. der ihm eine Sendung Kirschwasser hatte zugehen
lassen. Vorhin habe ich vom unhebelischsten aller Hebel-Texte gehandelt (vom "Christlichen
Katechismus") - jetzt halte ich Sie durch diesen hebelischsten schadlos:

"s isch wohr, Herr Jäck. i ha kei eigene Baum,
i ha kei Huus. i ha kei Schoof im Stall,
kei Pflueg im Feld, kei Immestand im Hof.
kei Chatz. kei Hüenli. menggmol au kei Geld,
's macht nüt. 's isch doch im ganze Dorf kei Buur
so riich as ich. Der wüsset wie mes macht.
Me meint, me heigs. So mein i au. i heigs
im süeße Wahn: un wo ne Bäumli blüeiht,
's isch mii, un wo ne Feld voll Ahri schwankt,
's isch au mii; wo ne Säuli Eichle frißt,
es frißt sie us miim Wald.

So bin i riich. Doch rücher bin i no
im Heuet, in der Ernt. im frohe Herbst.
I sag: jetzt chömmet. Lüt. wer will un mag,
un heuet, schniidet. hauet Trüübli ab!
I ha mii Freud an allem gha. mii Herz
an allen Düften, aller Schöni glabt.
Was übrig isch. isch euer. Tragets heim!"

So viel zu Hebels Epikuräertum - nun zu dem anderen Hauptzug! Selbst schreibt er einmal
von seinem Hang zum Moralisieren, einer Schulmeistereigenschaft. Das ist leicht mißzuver-
stehen, als sei das Halten von Moralpredigten gemeint: aber nein: gemeint ist das immer
erneute Stellen der Sinnfrage. Ich erinnere an das. was der Hausfreund über Krieg und
Frieden sagt, und an das. was Hebel selbst dem Freund Hitzig über dasselbe Thema schreibt,
unfähig die Frage nach dem Sinn des Weltgeschehens so positiv zu entscheiden wie sein
Kalendermann und w ie der ferne Freund. Das aber ist ihm unerträglich, es ist aus mit seiner
Heiterkeit, von der so viel Aufhebens gemacht wird, und er erscheint traurig und zornig.
Hebel muß zum Leben, zur geschichtlichen Wirklichkeit, zu den Mitmenschen Ja sagen
können ungeachtet aller Unzulänglichkeiten, um die er natürlich weiß, um das freundliche,
auch verschmitzte Lächeln zu zeigen, das seine Porträtisten (nicht die zeitgenössischen,
sondern die nachgeborenen) so gerne festhalten. Es mag also bei der Rede von Hebels
Heiterkeit bleiben, nur ist hinzuzufügen, daß dieselbe gefährdet ist. solange er die Sinnfrage
nicht bejahen kann.

* * *

Wir haben von Gustave gehört, diesem exemplarischen Gewächs eines evangelischen
Pfarrhauses: ihr ganzes Leben hat sie in einem solchen verbracht, ihr Vater, ihr Bruder, ihr
Schwager waren Pfarrer, und ihr Verehrer und Brieffreund Hebel war wenigstens Theologe,
wenn er auch keiner Pfarre vor-, wohl aber in hohen und höchsten kirchlichen Diensten stand.

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