Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 4688,fm
Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
54.1992, Heft 2.1992
Seite: 185
(PDF, 34 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1992-02/0187
"politique d'assimilation"). durch die Verachtung der Mundart, so wie sie uns durch die
französische Schule eingeimpft wurde. Allzulang habe auch ich gemeint. Hebel und
Mundartdichtung sei doch nur Folklore in abwertender Bedeutung. Ich hatte ja nicht wie
heute, staunend und ergriffen, jenes "Gespräch auf der Straße nach Basel zwischen Steinen
und Brombach in der Nacht" gelesen, w ir kannten ja nicht einmal unseren Nathan Katz. Wenn
ich selber damals schon Mundartgedichte wagte, so aus innerem Zwang ( "Singt 's Tiarla nit
in Hurscht un Nascht"), jedoch verborgen und nicht ohne Scham über eine Sprache, die keine
war. Von diesem Nullpunkt mußte der junge Elsässer ausgehen. Uns hat man ihn lange
verwehrt, den "Gsäng in Ehra" der eigenen Sprache. Auch bis zu Hebel w ar es ein langer Weg.
Doch auch da gab es Weg-Weiser, einen elsässischen Hebelpreisträger: Robert Minder, der
mit intellektueller Brillanz das für uns verdunkelte Hebelbild aufklärte, den fortschrittsfreundlichen
Humanisten und Pädagogen hervorkehrte: allerdings stand Minder weiterhin
jedem Engagement für den elsässischen Dialekt fremd oder argwöhnisch gegenüber. Seither
brachte die neue elsässische Bewegung eine progressive Sicht, die sich von solchen
Hemmungen befreien konnte (Andre Weckmanns Hebelrede 1976 hat dazu entscheidend
beigetragen). Es ist uns klar geworden, daß Hochsprache und Assimilation im Zeichen des
sogenannten "Fortschritts" nicht emanzipierend wirken, wenn dies auf Verdrängung des
Eigenen beruht, daß ein anderer Weg zu einem anderen Humanismus gefunden werden muß.
durch eine andere Pädagogik, ausgehend vom Eigenen, von der endlich anerkannten eigenen
Sprache.

"Hilf dü uns jetz

Müadersproch

äss m'r d'r richtiga Wag finda z' d'r
Brüadersproch".

Wir müssen den Traditionsbruch verhindern, der immer einen kulturellen Einbruch bedeutet,
individuelle und kollektive Störungen der Psyche hervorruft, aber w ir wollen uns ja nicht in
einem "Schnokaloch" zwischen Vogesen und Rhein auf das Ur- und Nur- Elsässische
zurückziehen, sondern auf der Basis unserer Mundart im Volk die Zweisprachigkeit ermöglichen
, den Dialog am Rhein, die deutsch-französische Europabrücke, und w ir möchten das
Projekt sogar ausweiten zur Bilingua-Zone auf beiden Seiten des Rheins... Unser lieber
Hausfreund gibt uns auf seine bescheidene und umso überzeugendere Art das literarisch-
pädagogische Beispiel einer kreativen Verbindung des Partikularen und Universalen:
Mundart und Hochsprache. Volksmäßiges und Kunstmäßiges. Lehrhaftes. Volksaufklärung
und Mundart als Lustsprache. "Schatzkästlein des rheinischen Hausfreunds" und Weltliteratur,
übersetzt bis in die Sprache des fernen Ostens.

So war es für den jungen Elsässer der Nachkriegszeit ein langer Weg zu Hebel. Sind wir
angekommen? Wie es so oft und gern im "Schatzkästlein" heißt: "Die Fortsetzung folgt". Ich
empfinde den Johann Peter Hebel-Preis als Verpflichtung zum Weiterwirken auf dem Feld
unserer grenzüberschreitenden Kulturarbeit, d.h. (ich wiederhole es) zugleich zur Rettung
der Mundart im Elsaß, unserer gemeinsamen Sprache am Oberrhein. Yillicht wird unsra
Sproch vo ihra Dichter g'retta? Und ich darf abschließend, nochmals die Bedeutung der
Hebelpreisverleihung in elsässischer Perspektive betonend, ein Goethezitat hinzufügen (das
würde doch unseren Vater Hebel erfreuen!): Villicht wird unsra Sproch vo ihra Dichter
g'retta... "Und ihr könnt sagen, ihr seid dabei gewesen"...

Mein Herzdank gilt Andre Weckmann für die brüderlich phantasievolle Laudatio (auch d'r
Lalune und König Friedolin bedanken sich): der Elsässer dankt der Jury, die sich mit seinem
schwierigen Fall auseinandersetzen mußte, dem Land Baden-Württemberg, der "ehrsamen
Gemeinde Hausen im Wiesental" für diese einzigartige Verbindung von Literaturpreis und
Volksfest. Ich danke Ihnen allen. Oder wie man auf gut elsässisch sagt: Merci.

185


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1992-02/0187