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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
55.1993, Heft 1.1993
Seite: 178
(PDF, 29 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1993-01/0180
Dies soll im folgenden Vortrag im kleinen Wirkungskreis menschlicher Existenz geschehen,
in der nichtsdestoweniger bedeutsamen Welt der Ortsgeschichte. Sie ist keine idyllische Insel
im stürmischen Meer des Weltgeschehens, auf der Robinson und Freytag als Lokalmatadoren
die ewig gleichen und engen Kreise ziehen. Sie ist vielmehr eine Schnittstelle, wo der Transfer
von großer und kleiner Geschichte erfolgt, wo die historischen Wirkungskräfte sich entfalten
und konkretisieren, wo die Entwicklungen von Politik. Wirtschaft und Kultur faßbar werden,
weil sie konkrete Gestalt gewinnen.

Von welcher Gestalt nun jener Alemanne war. der irgendwann im 7. Jahrhundert im heutigen
Enkendorf beigesetzt wurde, können w ir nur mühsam aus den kümmerlichen Resten seines
Körpers rekonstruieren. Vielleicht war er schon getauft, vielleicht aber, und darauf könnte das
alemannische Langschwert als Grabbeigabe deuten, gehörte er noch dervorchristlichen Zeit an.
Die bei uns gefundenen alemannischen Kistengräber, unabhängig davon, ob wir sie christianisierten
oder noch heidnischen Alemannen zuschreiben, sind jedoch eindeutige Indizien dafür,
daß sich im 6. und 7. Jahrhundert Menschen hier im Wehratal dauerhaft niedergelassen hatten.
In den Jahrhunderten vor der Besiedlung durch die Alemannen, also zur Römerzeit, wird es im
mittleren und vorderen Teil des Tals nur sporadische Niederlassungen gegeben haben. Die
wenigen Indizien wie Münzfunde lassen es nicht zu, von mehr als dem zu reden.

Genauso gesichtslos wie jener unbekannte alemannische Krieger, dessen Schwert davon
zeugt, daß der Krieg ebenso zur Geschichte der Menschheit zählt wie die Sehnsucht nach
Frieden, ist der irische Mönch oder fränkische Leutpriester. der irgendwann zur Zeit der
fränkischen Expansion die ersten Fundamente unserer Martinskirche gelegt hat. Vielleicht aber
gab es bereits vorher ein Gotteshaus in Wehr. Folgt man jedenfalls Otto Deisler, so wurde direkt
bei den Kistengräbern bei der heutigen Josefskapelle eine frühchristliche Kapelle erbaut.
Allerdings bringt der geschichtsbegeisterte Pfarrer keinen weiteren Nachweis für seine
Behauptung, die eine gewisse Wahrscheinlichkeit beanspruchen darf. Wir alle w issen ja um die
große bauliche Kontinuität heiliger Orte.

Wir werden diese Frage genauso wenig klären können, wie wir niemals den Namen jenes
zehnjährigen alemannischen Kindes erfahren werden, dessen Grab einen Topf mit Beigaben
von Eiern und Stücke von Geflügel enthielt, die dem Kinde als Nahrung für seine lange Reise
ins Jenseits mitgegeben worden sind. Vielleicht war der Knabe bereits getauft. Wäre das
Säckinger Klosterarchiv 1272 nicht durch einen Brand in Schutt und Asche versunken,
vielleicht wäre uns dann auf irgendeiner Urkunde der Name eines Priester oder eines Mönchs
überliefert worden, der zumindest theoretisch hätte taufen können. Mit Sicherheit wüßten wir
dann aber über die religiösen, politischen und ökonomischen Verhältnisse im Wehratal besser
Bescheid und könnten genauer nachvollziehen, wie die christlich-religiöse Weltanschauung
Fuß faßte. So deckt die Quellenlosigkeit einen schwarzen Mantel des Vergessens über diese
doch so entscheidende Epoche unserer Region, in der jene Fundamente gelegt wurden, auf
denen heute noch, trotz aller Gefährdungen, unsere abendländische Zivilistation mit all ihren
Licht- und Schattenseiten ruht.

Erst nach der Jahrtausendwende tritt uns eine Persönlichkeit entgegen, die für Wehr von
großer, nämlich namenspendender Bedeutung ist. Wir stoßen erstmals auf einen durch Quellen
gesicherten Namen: Adalgoz von Werrach. Mit seiner Nennung in einer Urkunde des Jahres
1092 tritt Wehr in das Licht der Geschichte. Doch die Physiognomie dieses Adalgoz können
wir nur mit viel Phantasie zu erfassen suchen. Ob er überhaupt in Wehr residierte, ist mehr als
fraglich. Jedenfalls übte er für den Bischof von Basel die Vogtei über das Kloster St. Blasien
aus und scheint durch seine rüden Methoden den Zorn der Mönche auf sich gezogen zu haben.
Allerdings muß man davon ausgehen, daß jener Streit, in den Adalgoz geriet, nicht nur die
Konsequenz seines aufbrausenden Temperaments, sondern das Resultat einer politischen
Situation war: Wenn sich die Mönche aus St. Blasien über Adalgoz bei Kaiser Heinrich V. in

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