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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
55.1993, Heft 1.1993
Seite: 179
(PDF, 29 MB)
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Worms beschwerten, so muß man die Klage im Kontext des Investiturstreits sehen. In dessen
Verlauf suchten die von Cluny und Hirsau beeinflußten Reformklöster das eherne Joch der
aufgezwungenen Vogtei abzustreifen und das Recht auf eine eigene Vogtwahl durchzusetzen.

Wesentlich deutlicher als Adalgoz tritt uns 150 Jahre später ein Mann entgegen, von dem wir
sogar eine Abbildung besitzen: der Ritter. Sänger und Poet Walther von Klingen. Besitzer der
Herrschaft Wehr und Stifter des Klosters Klingental. der allerdings weniger durch seine
Spendierfreudigkeit als vielmehr durch eine kostbare Miniatur auf einer der vorderen Seiten der
Manessischen Liederhandschrift sowie durch acht Gedichte Unsterblichkeit gewann. Diese
vordere Plazierung deutet jedoch in dem auf Hierarchie bedachten Mittelalter die Stellung
dieses Mannes mehr im öffentlichen Leben der damaligen Zeit als in der Literatur an.

Leider, so muß ich ironisch anmerken, trägt Walther in der berühmten Tumierszene. wie sie
in der prächtigen Handschrift abgebildet ist. einen Helm, dessen Visier geschlossen ist. Wieder
erkennen wir kein Gesicht. Dafür aber hat Walther gedichtet. Und so können wir in sein
sprachliches Gesicht blicken. Doch da tun wir uns wieder schwer, außer wir sind so naiv, das
für bare Münze zu nehmen, was die Minnesänger an Gedichten produziert haben. Denn
genauso wenig w ie aus der Miniatur, die keinesfalls individuelles Erleben im Sinne der Neuzeit
zeigen wollte, sondern bildliche Formelsprache war. können wir aus Walthers Liedern direkt
auf seine Persönlichkeit schließen. Minnesang diente keinem persönlich-individuellen Ausdruck
, sondern war ein kommunikatives Spiel mit Rollen, durch das sich die höfische
Gesellschaft ihrer Werte versicherte. Dennoch haben uns die Mediävisten den Weg zur
Persönlichkeit Walthers von Klingen gewiesen. Walther war poetisch kein Neuerer, sondern
ein Bewahrer der alten Formen, er war. wie Dr. Helmut Weidhase schrieb, ein "Wertkonservativer
". Um so interessanter ist es. daß Walther. was von Prof. Ursula Peters aufgezeigt wurde,
einen damals keineswegs alltäglichen Entwicklungsgang vom Landadligen zum Stadtbürger
nahm. Angesichts des mittelalterlichen Antagonismus zwischen Adel und Bürgertum. Stadt
und Land wirft diese Tatsache ein bezeichnendes Licht auf diesen interessanten Mann, der nicht
nur das 1274 von Wehr nach Basel umgesiedelte Kloster Klingental gründete, sondern auch im
Jahr 1260 Todtmoos aus der Taufe hob. Walther von Klingen starb am 1. März 1286 in Basel
im biblischen Alter von etwa siebzig Jahren. Daß Walther ein Teil von Wehr ist. beweist der
von Leonhard Eder gestaltete Walther-Brunnen vor dem Rathaus.

Wenn nun von Walther die Rede ist, so darf der mit ihm eng verbundene Rudolf von
Habsburg nicht vergessen werden. Dem Minnesänger soll ja geträumt haben, so schreibt
Helmut Weidhase in seinem Aufsatz unter Bezugnahme auf die spätere dominikanische
Geschichtsschreibung, "daß nach der kaiserlosen, der schrecklichen Zeit bei der Königswahl
viele versuchten, die deutsche Krone für sich aufzuheben, aber nur Rudolf von Habsburg sei
es gelungen, das Herrschaftszeichen vom Tische zu nehmen und sich selbst aufs Haupt zu
setzen". Nachdem Rudolf im Jahr 1273 König geworden war. begannen in der Tat andere
Zeiten - gerade auch für Wehr. Diese hatten sich bereits im Jahr zuvor angekündigt, als Rudolf
durch einen Verrat die Burg Werrach und die Herrschaft Wehr an sich brachte. Ein Bauer, der.
so der Kolmarer Chronist. "Wolf hieß und wirklich ein Wolf war", hatte dem Habsburger einen
Weg gewiesen, die Burg ohne längere Kämpfe einzunehmen. Mit der Inbesitznahme der
Herrschaft Wehr durch das Haus Habsburg wurde die wesentliche Weiche unserer Geschichte
gestellt mit gravierenden Konsequenzen in jeglicher Hinsicht: Bis zum Beginn des 19.
Jahrhunderts und der Einverleibung in den badischen Staat blieb Wehr nämlich vorderösterreichisch
.

Eng mit den Habsburgem kooperierte ein Adelsgeschlecht, das fast genausolange der
Herrschaft Wehr seinen Stempel aufdrückte: die Familie v on Schönau, die 1365 die Herrschaft
Wehr als österreichisches Pfand und 1608 als Lehen erhielt und im Jahr 1668 von Kaiser
Leopold L in den erblichen Freiherrenstand erhoben wurde. Wollte ich all die hervorragenden

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