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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
55.1993, Heft 1.1993
Seite: 184
(PDF, 29 MB)
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ersichtlich, daß alte Grenzen nicht ohne weiteres wegzudekretieren sind und noch lange
nachwirken.

Wie dem auch sei, auch ein Johann Baptist Trefzger vermochte durch sein ungebührliches
Verhalten nicht jenen Zug aufzuhalten, der Wehr ins 20. Jahrhunden brachte. Auch in diesem
Zeitraum, der zwei große Kriege zu verkraften hatte, wirkten bei uns Persönlichkeiten von
großer Geistesschärfe, Tatkraft und Herzensbildung. Die Rede müßte sein von dem Arzt Georg
Kerner. dem Enkel des Dichters Justinus Kerner. Dr. Kerner gründete das Rote Kreuz, widmete
sich der Volksbildung, war Vorstand mehrerer Vereine und setzte sich rastlos dafür ein, Wehr
mit kulturellem Leben zu erfüllen. Gleiches gilt für Prof. Dr. Arthur Allgeier, dem bisher
bedeutendsten Sohn der Stadt auf dem Gebiete der Wissenschaft. Seine Biographie ist in der
Herbstnummer Ihrer Vereinszeitschrift11 von seinem Schüler Prof. Dr. Alfons Deissler skizziert
worden, so daß ich auf ihn nicht einzugehen brauche. Auch der Ehrenbürger Adolf
Glattacker, dessen Gebunshaus im Enkendorf liegt, bedarf keiner weiteren Ausführungen. Ich
möchte meinen Streifzug durch die Geschichte der Wehrer Persönlichkeiten mit einer einzigartigen
Frau beenden, nein, nicht mit Anne Sophie Mutter, die zwar schon eine Legende,
aber immer noch Zeitgeschichte ist, sondern mit einer Frau, deren soziale Phantasie von
ungewöhnlicher Dimension war. Ich meine Frieda Lenz, der am 13. Mai 1973 die Ehrenbürgerschaft
der Stadt Wehr verliehen wurde.

Frieda Lenz wurde im März 1887 geboren. Im Jahr 1924 wurde sie in die Vorstandschaft des
Wehrer Frauenvereins gewählt, dessen Vorsitz sie nach dem Kriege übernahm. Als der
Frauenverein, den die Nazis 1937 aufgelöst hatten, nach dem Kriege von ihr wiedergegründet
wurde, bemühte sie sich sofort um das enteignete Vermögen des Vereins. Ihr gelang es, das
Haus in der Merianstraße dem Verein zu sichern und mit neuem sozialem Leben zu erfüllen.
Sie engagierte sich auch im Roten Kreuz und pflegte, nachdem ihr Mann gefallen war, die
vielen Verletzten. Sie kümmerte sich um die Armen und Kranken und versorgte Kriegsgefangene
mit Nahrungsmitteln. Für ihr aufopferungsvolles Leben in christlicher Nächstenliebe erhielt sie
1973 von Papst Paul IV. den Orden Benemerenti. Sie war eine couragierte Bürgerin, die sich
auch von den Nazis nicht schrecken ließ. Aus Unterlagen des Stadtarchivs Wehr können wir
entnehmen, daß sie sich dem unerträglichen Wahlzwang, der damals ausgeübt wurde, entzogen
hat. Frieda Lenz starb nach einem langen und erfüllten Leben im Dezember 1973.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bin nun am Ende meines Vortrags über
Persönlichkeiten in der Wehrer Geschichte angelangt. Ich wollte Ihnen die Gesichter einiger
Menschen zeigen, die stellvertretend für all jene stehen, die in den vielen Jahrhunderten hier
in Wehr lebten und wirkten. Wenn wir uns mit der Geschichte befassen, so sollten wir immer
daran denken, daß wir verpflichtet sind, uns derer zu erinnern, deren Werke die Fundamente
des von uns bewohnten Hauses legten. Eines der Ziele dieser Menschen bestand in der
Gestaltung eines menschenwürdigen Zusammenlebens. Das ist. wie der Historiker Arno Borst
einmal sagte, auch unsere Aufgabe: "Wir verfehlen sie, wenn wir ständig nur in die Nebel der
Zukunft starren und keine Klasse der heutigen Gesellschaft so rücksichtslos unterdrücken wie
die Toten. Außerdem sind morgen wir die Toten, dann sind unsere Zukunftsträume nichts
weiter als alte Geschichten." Das sollten wir nie vergessen.

Anmerkung

1) Das Markgräflerland H. 2/1992. S. 35ff.

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