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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
56.1994, Heft 1.1994
Seite: 87
(PDF, 32 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1994-01/0089
Johann Peter Hebel und Kaiser Napoleon

Paul F. Wagner

"Besonders eindrücklich wirbt der Kalendermann für den französischen Kaiser in
der hervorraaend erzählten Geschichte von der Obstfrau in Brienne. Perfekt kann der
Kalendermann hier weltgeschichtliche Größe mit menschlicher Regung und Rührung
im kleinen verbinden - Napoleon sorgt persönlich für die alleinstehende Obstfrau und
die Erziehung ihrer Kinder. Eine exzellente Synthese aus öffentlichem Interesse und
privater Fürsorge, die der abendländischen Führungsgestalt in jener Zeit wohl
anstand. Doch bleibt auffällig in der Personenbeschreibung des Korsen die Akzentuierung
der staatsmännischen, landesväterlichen Idee, imposante militärische Leistungen
Bonapartes stehen dagegen stark zurück, keine Schlachtgesänge, keine trunkenen
Siegesfeiern."

Das schrieb Richard E. Schneider in einem Beitrag "J.P. Hebel und Napoleon", der
am 10.4. 1989 in der "Neuen Zürcher Zeitung" erschien. Hebels Geschichte wird von
Schneider "hervorragend erzählt" genannt, und Hebel wird gerühmt, daß er Napoleon
als Mann von "weltgeschichtlicher Größe und mit menschlicher Regung und Rührung
" darzustellen gewußt hat. Bei näherem Zusehen dürften jedoch Zweifel angebracht
sein, ob die Geschichte so gut ist, wie sie von Schneider gepriesen wird, und
ob sie als "perfekte" oder gar "hervorragend erzählte Geschichte" angesehen werden
kann. Sie wird, wie alles, was Hebel zu erzählen weiß, liebenswürdig und anschaulich
dargeboten, hat aber auffallende Schwachstellen. Wer die geschichtlichen Ereignisse
jener Zeit und Napoleons rücksichtsloses Emporkommen nur einigermaßen kennt,
läßt sich von dieser im Grunde rührseligen Erzählung - sie erschien 1809 mit einem
Bild - nicht täuschen, und er wird, wie manche Zeitgenossen Hebels, Mühe haben, den
Kalendermann ihretwegen zu loben.

"Keine Schlachtgesänge, keine trunkenen Siegesfeiern" rühmt Schneider. Aber
warum hätte Hebel in einer solchen Geschichte ein Bild Napoleons als Krieger und
Kriegsheld hervorkehren sollen? Ihm lag ja am Herzen, ihn als rechtschaffenen,
mitfühlenden und wohlwollend-fürsorglichen Kaiser zu zeigen. Für diesen Zweck ist
die Personenbeschreibung "des Korsen" ausgesprochen geschönt. Der kurze Abriß
seines Aufstiegs vom Zögling der Kriegsschule in Brienne zum Ersten Konsul und
dann zum Kaiser gipfelt bei Hebel in dem Satz:

"Napoleon stellt in seinem unglücklich gewordenen Vaterlande die Ruhe und
Ordnung wieder her und wird französischer Kaiser".

Der "Kalendermann" erzählt das seinen "geneigten Lesern" aus Baden als die
selbstverständlichste und ehrbarste Sache der Welt. Da gibt es keine Andeutung, daß
Napoleon Erster Konsul durch die Beseitigung des Direktoriums mittels eines
Staatsstreichs wurde und daß er sich Jahre danach auf nicht eben gesetzmäßige Weise
zum Kaiser machte und seinen Familienclan dabei großzügig versorgte, indem er

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