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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
57.1995, Heft 1.1995
Seite: 175
(PDF, 34 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1995-01/0177
Zunächst reiste Jung-Stilling aber weiter in die Schweiz, unter anderm auch
nach Basel und nach Burgdorf, wo er beim Pfarrer logierte, mit welchem er
befreundet war. Doch lassen wir ihn selbst erzählen:

"Hier operierte Stilling verschiedene Blinde... Einer Operation muß ich noch
besonders gedenken, weil dabei etwas vorfiel, das den Charakter der Schweizerbauern
ins Licht stellt: Zwei schöne starke Männer, bäurisch aber gut und reinlich
gekleidet - Reinlichkeit ist ein Hauptcharakterzug der Schweizer - kamen mit
einem alten ehrwürdigen Graukopf ins Pfarrhaus und fragten nach dem fremden
Doctor. Stilling kam, und nun sagt der Eine: da bringe wer unsern Vater - er ischt
blend - chönneterm helfe? - Stilling besah seine Augen, und antwortete: Ja liebe
Freunde. Mit Gottes Hülfe soll euer Vater sehend wieder nach Haus gehen. Die
Männer schwiegen, aber die hellen Thränen perlten die Wangen herab, dem blinden
Greis bebten die Lippen und die starren Augen wurden naß.

Bey der Operation stellte sich der eine Sohn auf die eine Seite des Vaters, und der
Andere auf die andere Seite, in dieser Stellung sahen sie zu: als nun alles vorbey war,
und der Vater wieder sah. so flössen wieder die Thränen, aber keiner sagte ein Wort,
außer daß nun der Aelteste fragte: Herr Doctor, was sind wer schuldig? - Stilling
antwortete: Ich bin kein Arzt für Geld, da ich aber auf der Reise bin. und viele Kosten
habe, so will ich gern etwas annehmen, wenn ihr mir etwas geben könnt, es darf euch
aber im geringsten nicht drücken: - pathetisch erwiderte der älteste Sohn - uns drücht
nichts, wenns unsern Vater betrift. - und der Jüngere setzte hinzu: unsere linke Hand
nimmt nichts, was die rechte gegeben hat. - das sollte so viel heißen - das was wir
geben, das geben wir gern. Stilling drückte ihnen mit Thränen die Hände, und sagte:
vortrefflich. - ihr seyd edle Männer - Gott wird euch segnen".

In der Folge kam Jung-Stilling dann nach Heidelberg, wo ihm der Markgraf eine
Wohnung verschafft hatte. Er erhielt eine feste Besoldung und konnte sich ungestört
seiner religiösen Schriftstellerei widmen.

An der oben zitierten Stelle ist interessant, daß Jung, genau wie Hebel, die Bauern
als edel empfindet. Ihre Sprache ist ihm so wichtig, daß er sogar versucht, ihren
Dialekt wiederzugeben. Wie bei Hebel erscheinen die Bauern als zwar wortkarg, aber
ihre Worte treffen den rechten Fleck.

Diese kurzen Ausschnitte aus Jung-Stillings Leben und Werk müssen für heute
genügen, auch wenn es interessant wäre, diesem Mann weiter zu folgen.

Kehren wir wieder zu Johann Peter Hebel zurück, der Heinrich Jung-Stilling
in Person erst kennenlernte, als er seine Alemannischen Gedichte schon veröffentlicht
hatte. Um es kurz zu machen. Hebel war, wie die meisten Zeitgenossen,
beeindruckt von diesem Mann und hatte ihn gern. An seinen Freund Hitzig
schreibt er im September 1804: " Er zog unter dem großen Gewühl von
Badegästen aller Art zu erst meine Aufmerksamkeit an sich und hielt sie, wo er
zu sehen war ausschließend fest. Ich taxierte ihn zuerst nach einem dunkeln
Gefühl für einen wallonischen Geistlichen. An der Tafel giengs mir wie ein Licht
in der Seele auf, daß Stilling im Heimweh sagt, die ächten Jünger Jesu (in seinem
Sinn) haben etwas in Mine und Haltung, das sie auf den ersten Blick kennbar

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