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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
57.1995, Heft 2.1995
Seite: 34
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1995-02/0036
Über Bruchstücke der Geschichte und die Erinnerung

Zur Eröffnung der Lörracher Ausstellung "Nach dem Krieg" am 23. April 1995

Helmut Bürgel

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

erlauben Sie mir, nachdem unser Bürgermeister, Herr Grotefendt, bereits auf die
historischen Hintergründe, Fakten und Zusammenhänge eingegangen ist, Ihnen
einige Gedanken eines Nachgeborenen zur Gestaltung und zum inneren Zusammenhang
dieses grenzüberschreitenden Kulturprojektes mit auf den Weg in die
Ausstellung zu geben.

Vor einem Jahr wurden die Reste eines gesprengten Bunkers aus Eimeidingen,
der im 2. Weltkrieg zu den Befestigungsanlagen des sogenannten Westwalls gehörte
, als erster Hinweis auf die Ausstellung, die wir heute eröffnen, im Hof des
Museums abgeladen. So mancher Lörracher und mancher Besucher stand in der
Zwischenzeit kopfschüttelnd davor und hat sich gefragt, was nur in aller Welt
Museumsleute dazu bewegen könne, sich einen Haufen Schrott vor die eigene
Haustür zu kippen.

Diese Frage ist berechtigt. Wir haben sie uns auch gestellt. Ist es sinnvoll, alles
Vergangene zu musealisieren, aus jedem Gegenstand, aus jedem Bruchstück ein
Zeitzeugnis zu machen, das es zu bewahren und zu konservieren gilt?

Früher waren historische Museen den Relikten der Herrscher und Könige, der
Bischöfe und Fürsten vorbehalten. Im Reichtum ihrer Hinterlassenschaft bewahrte
sich die Perspektive der Sieger und die Ohnmacht der Opfer zugleich. Doch die
Zeiten haben sich geändert und mit ihnen die 'Objekte der Begierde'; die museale
Sammelleidenschaft hat sich geöffnet, der Blick wurde weiter, demokratischer. Nach
den Siegern zählen nun auch die einfachen Leute, das Volk, die Frauen, der Alltag,
die Opfer. Und in der Nachkriegszeit waren nahezu alle gleich und fast alle Opfer.

Warum also die Reste dieses Bunkers? Um zu zeigen, daß die Opferperspektive
die der Nachkriegszeit einzig angemessene sei? Um zu fragen, ob d i e s e Vergangenheit
nur noch den Wert des Schrottes habe?

1945. 50 Jahre, man möchte sagen Lichtjahre entfernt. Je größer die zeitliche
Distanz, um so schneller und heißer läuft die Erinnerungsmaschine der Medien
und läßt doch - so scheint es - die meisten kalt. Ein großer Teil der Deutschen
verbindet, wie eine Umfrage kürzlich verdeutlichte, mit dem Datum des 8. Mai
nichts oder kaum noch etwas. Muß ein Museum diese Bunkerteile erhalten, weil
der Angriff der Gegenwart auf die übrige Zeit' Zusammenhänge zerschneidet?
Weil, seit es keine Utopien mehr gibt, das elektronische Gras der Medien über
viele Vorgänge schneller wächst, als die Folgen dieser Vorgänge sich offenbaren?
Weil demzufolge Ursachen und Wirkungen dem Blick entschwinden? Weil die
Erinnerung Stützen braucht- und seien es Trümmer -, um sich zu erhalten?

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