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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
61.1999, Heft 2.1999
Seite: 93
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1999-02/0095
Schellenberg lehnte diese Meinung entschieden ab und schlug einen entgegenge-
setzten Weg zur Freiheit vor: Nur mittels der christlichen Religion und einer von ihr
geprägten Vernunft sowie durch Sittlichkeit lasse sich eine freiheitliche gesellschaftliche
Ordnung verwirklichen. Damit nahm der Vikar Einwände auf. wie sie etwa in
der Berliner monarchistisch gesinnten ..Evangelischen Kirchenzeitung'* laut wurden,
wonach das Volk noch nicht reif für die Freiheit sei. Doch anders als für die ..Kirchenzeitung
" ist dies für Schellenberg kein Grund, für die Monarchie zu plädieren.
Er erstrebte vielmehr eine religiöse Erziehung zur Freiheit. Von daher wird auch
sein eingeschränktes Verständnis und sein Einsatz für die Revolutionäre verständlich
. Die siegreichen Regierungen forderte er nämlich auf. maßvoll und mit Bedacht
gegen die Revolutionäre vorzugehen, und erklärte, es könne nun nicht mehr darum
gehen. Unrecht mit Unrecht zu vergelten. Schließlich hätten diese - zwar mit falschen
Mitteln - ein durchaus berechtigtes Anliegen vertreten. Daran schloß sich der

CT

Appell an die Obrigkeit an. das Verlangen des Volkes rasch zu erfüllen.

Schellenberg erweist sich in seiner Predigt als Anhänger des Parlamentarismus und
der konstitutionellen Monarchie. Freiheit resultiert für ihn aus den Grundprinzipien
des Christentums und ist nur auf dieser Basis realisierbar und lebensfähig. Einerseits
bringt er ein gewisses Verständnis für die Aufständischen auf. verwirft aber andererseits
ihre Methoden als unsachgemäß und untauglich. Für ihn sind die jüngsten
Zeitereignisse Prüfungen. Er spricht also nicht wie C. H. Zeller im nahe liegenden
Beuggen vom Gericht. Der Stadtvikar kann zwar im Kontext der Aufstände auch von
Strafe reden, doch wird diese mit einer konstruktiven und positiven Sicht der politischen
und sozialen Zukunft verbunden. Durch die Interpretation der historischen
Ereignisse als Prüfungen werden die Anliegen der radikalen Demokraten nicht einfach
als widergöttlich denunziert, sondern nach ihrem Recht gefragt. Schellenberg
erkannte nämlich für das Christentum und die Religion eine politische Zukunftsaufgabe
: die Realisierung von Freiheit und Demokratie. Damit unterscheidet er sich
gänzlich von zahlreichen badischen Amtsbrüdern. Durch diesen Vergleich wird auch
verständlich, warum Schellenberg immer heftigeren Vorwürfen in der Stadt Lörrach
ausgesetzt war. die in ihm einen Sympathisanten der Revolution sahen.

Auch sein Kollege und Freund Wilhelm Wagner im benachbarten Brombach galt
im Südwesten der badischen Landeskirche als Anhänger der Demokratie.3'' Er hatte
in Brombach einen Leseverein gegründet. Ihm warf man später vor. er habe durch
das „Vorlesen und Erläutern von Artikeln aus bekannten Organen der Umsturzpartei
, z. B. des Eulenspiegels und der Oberrheinischen Zeitung, die Vereinsmitglieder
und vorzüglich den jüngeren Teil derselben für die darin ausgesprochenen extremen
Ansichten zu gewinnen'* versucht.321 Wagner wurde 1850 vom Hofgericht des Oberrheinkreises
wegen Hochverrats zur einer Arbeitshausstrafe von eineinhalb Jahren
verurteilt. Er entzog sich der Strafe durch die Auswanderung in die Vereinigten
Staaten.33'

Schellenberg stand in Lörrach nach seiner Predigt anläßlich der Schilderhebung
bald im Ruf. wie Wagner Sympathien für die politischen Ansichten der Demokraten
zu hegen. Darum wurden seine weiteren Äußerungen und Verlautbarungen

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