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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
61.1999, Heft 2.1999
Seite: 135
(PDF, 36 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1999-02/0137
„Das Schellenmännlein" veröffentlicht. Die drei hochdeutschen Strophen halten
aber den Vergleich nicht aus mit dem bezaubernden Mundartgedicht über das
..Wigigerle" von Nathan Katz. in dem gleichsam ein unmittelbares Erleben des
Dichters zu spüren ist. da er die Atmosphäre der warmen Herbstnächte in den
Rebbergen und zugleich greifbare Bilder aus der Arbeitswelt der Weinbauern
äußerst lebendig wiederzusehen vermas.

Im Glossar zum Buch .Mi Sundgäu" von Nathan Katz (Ausg. 1985) hat Prof.
Raymond Matzen das Wigigerle (..Weingeigerlein") als Erdgeist. Kobold des Reblandes
erklärt, und das mit Recht, da ja die glückbringende kleine Gestalt durch
die erw ähnte Sage belegt ist. Es kommt aber sowohl in der Sage vom Weingeigerlein
(und auch vom Schellenmännlein) wie auch im Gedicht von Nathan Katz ein
Zusammenhang zum Ausdruck, der an einen möglichen Ursprung der Sagengestalt
denken lassen könnte: Wenn das Weingeigerlein ..dur d'ganzi Nacht" oder
gar „dur Tag un Nacht", wie unser Dichter sagt, zu hören ist. läßt dies eine
besonders gute Weinernte erhoffen. Eine solche kann aber nur das Ergebnis von
lang anhaltendem warmem Wetter sein.

Hier müssen wir nun zunächst einen kurzen Blick auf eine der Möglichkeiten
der Sagenbildung werfen. Der Sagenforscher Friedrich Ranke legte als eine solche
Möglichkeit ..Erlebnisse des Auges oder des Ohres" der Entstehung von Sagen
zugrunde. So können akustische Eindrücke, von unsichtbaren Dingen herrührend,
im Volk oft den Glauben an Kobolde und andere Sagenwesen als Urheber der
Geräusche erweckt haben. Man glaubte z. B. auch Glocken zu hören, wenn in den
Frühlingsnächten das Geläute der Unken vom Teich her erklang.

Damit eine Sage auf dieser Grundlage aber überhaupt entstehen und sich festigen
kann, muß von vornherein eine bestimmte Vorstellungswelt - wohl vielfach
auch in Verbindung mit ganz konkreten, praktisch ausgerichteten Wünschen -.
gleichsam ein Gemeinschaftsglaube im Volk vorhanden sein (Beyschlag). und das
berichtete ..Erlebnis" muß dann aus der Freude am Erzählen in der Gemeinschaft
von Mund zu Mund gegangen sein (Lüthi).

Auch der Freiburger Sagenforscher Lutz Röhrich weist darauf hin. daß eine
große Zahl von Sagen ihre Entstehung dem Bedürfnis des Volkes nach einer
Erklärung für irgendwelche auffallenden Gegebenheiten seiner Umwelt verdankt:
..Vielfach entpuppt sich die Sage als übernatürliche Erklärung an sich ganz natürlicher
Vorgänge. - Die Verknüpfung mit der Wirklichkeit gehört geradezu zum
Wesen der Sage."

Aufgrund dieser Feststellungen dürfen wir vielleicht einen Deutungsversuch für
die Entstehung der Sage vom ..Wigigerle" wagen. An warmen Standorten des
Oberrheingebietes kommt das Weinhähnchen (Oecanrhus pellucens). eine Grille,
auch Weinbergsgrille genannt, vor. In den elsässischen Weinbergen war dieses
Insekt früher, als man die heutigen Schädlingsbekämpfungsmittel noch nicht anwandte
, wohl häufig anzutreffen. Das Männchen des Weinhähnchens ..geigt"
durch Aneinanderreiben der Flügel, und in der Dämmerung und besonders nachts
erzeugt es auf diese Weise ein andauerndes, lieblich melodisches und zugleich

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