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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
61.1999, Heft 2.1999
Seite: 163
(PDF, 36 MB)
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Lande wohl sieht man die Kinder so früh damit beschäftigt, als bei uns. Das vier-
bis fünfjährige Mädchen schon weiß die Stricknadel zu handhaben und ein Stückchen
Stramin mit Wollfäden zu benähen, zu einem Nadelkissen für die Großmutter
oder Tante!" 7)

Den Lebenserinnerungen zufolge war dieses frühe Stricken jedoch nicht im
Interesse der kleinen Mädchen. So erzählt Hermine Villinger, „da sollte ich still
sitzen und stricken: das war entsetzlich, und ich warf mein Strickzeug hinter den
Kasten." 81 Bei Tony Schuhmacher heißt es: „Mein Haupteindruck von diesem
Garten ist der. daß ich. sitzend unter einem alten Nußbaum, angesichts der glitzernden
Wasserfläche und der Alpen stricken lernen mußte, und daß meine kleinen
Finger sich jämmerlich mit den dicken stählernen Nadeln abquälten.*'91 Auch
in der Kinderbuchserie „Nesthäkchen"" leben die schweren ersten Stunden mit den
Nadeln in der Hand weiter, manch bittere Träne läßt die Autorin Else Ury das
Berliner Arzttöchterchen im ersten Band weinen. Doch wie es sich für ein junges
Mädchen „gehört", fand diese bald Gefallen an der Handarbeit. Dabei ging es
nicht bloß um die Tätigkeit an sich. Das Mädchen sollte damit vor allem die
Fürsorge für andere lernen. Entsprechend erkennt das Mädchen im zweiten Band:
„Solchen schönen Heiligabend hatte Nesthäkchen noch nie erlebt. Das kam daher,
daß sie auch anderen eine Freude machen wollte!"I0>

Zugleich drückten die Handarbeiten Häuslichkeit aus und dienten der Disziplinierung
. So beschrieb es Hedwig Dohm: „Die Mädchen, die saßen möglichst still,
sittsam, machten Handarbeiten in den Freistunden, von der mühsamen Perlen- und
petitpoint-Stickerei bis zum ekligen Strumpfstopfen." "' Schon Bilderbücher Sölten
den Kindern verdeutlichen, daß sie stets fleißig sein müßten, dann würde es
ihnen auch nicht langweilig sein: „Das kleine Mädchen hätte besser gethan. es
hätte auch ein bißchen - ein Viertelstündchen - am Strickstrumpfe gestrickt, da
würde ihm die Zeit nicht so lang geworden sein ..." i:' Allerdings konnte die
Umsetzung des Sprichwortes „Müßiggang ist aller Laster Anfang" auch zu einer
übertriebenen Arbeitsbeschaffung führen, wie wir aus einer Lebenserinnerung entnehmen
. Klödens Großmutter soll gesagt haben: „Wenn ein Mädchen nicht weiß
was es thun soll, so schneidet es ein Loch in die Schürze und flickt es wieder
zu."I3)

Auch bei den Töchtern im heiratsfähigen Alter stellten Handarbeiten einen wesentlichen
Bestandteil ihres täglichen Lebens dar. Für diese war es ja besonders
wichtig, die Tugenden „fleißig und häuslich'" zu verkörpern.

Die transportablen Handarbeiten wurden oft im geselligen Kreis ausgeübt, sie
dienten der Kommunikationspflege. Aus dem Schweizer Großbürgertum sind Teekränzchen
bekannt. „Vereinli" wurden diese Zusammenkünfte befreundeter Backfische
genannt, die sich einmal bis zweimal in der Woche „zum Zvieri" trafen. So
ist uns eine Chronik des „Vereinli Erica** aus St. Gallen überliefert. Hier haben
sechs bis sieben Mädchen des Vereiniis das gemeinsam Erlebte in einem Gruppentagebuch
niedergeschrieben. Aber auch in Basel und Zürich gab es um die
Jahrhundertwende diese geselligen Zusammenkünfte, zu denen sich junge

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