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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
61.1999, Heft 2.1999
Seite: 168
(PDF, 36 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1999-02/0170
beispielsweise von einer heute in Kirchzarten lebenden Frau, die jahrelang in
Berlin als Hausangestellte gearbeitet hatte. Frau M. (geboren 1921) strickte nach
dem zweiten Weltkrieg in Berlin Fingerhandschuhe auf Bestellung. Für ein Paar
bezahlte man ihr fünf Stunden ä 56 Pfennig, das veranlaßte sie. nach der Uhr zu
stricken. Allerdings hielt sie das nur ein halbes Jahr durch, dann wurde es ihr ..wie
Spinnweben vor den Augen", berichtete sie.

Berufstätige Frauen nutzten in der Regel die Essenspausen während der Arbeit,
um für sich etwas zu fertigen. Diesen Fleiß bezeugt Verena Conzett in ihrer
Lebenserinnerung. In ihren Deckelkörben, so schreibt sie. bewahrten ihre Arbeitskolleginnen
neben einem Stück Brot eine Strickarbeit auf. an der sie in den Essenspausen
, ..die einzige Zeit, die zu solchen Arbeiten verblieb", arbeiteten. Gestrickt
wurden beispielsweise wollene Zipfeltücher zum Umbinden.

Um für sich und ihre Familie die nötigen Kleider fertigen zu können, war
Mathilde Fluri aus Rheinfelden schon immer froh, nähen und stricken zu können.
..Die Preise im Laden konnten wir nicht bezahlen", erklärt die Anfang des Jahrhunderts
geborene Frau. Doch die Notwendigkeit schloß den Spaß an der Arbeit
nicht aus. Noch mit 90 Jahren strickte sie emsig Fingerhandschuhe für den Basar
der Sozialstation oder auf Wunsch - ein bis zwei Paar pro Woche. Dabei hat sie
die Anfänge des Strickenlernens nicht in sehr rosiger Erinnerung. Ihre Mutter,
eine Italienerin, die als junge Frau nach Rheinfelden gekommen war. hatte es ihr
mit fünf Jahren beigebracht. Allerdings auf die italienische Art, mit langen Nadeln
, die zum Stricken unter beide Ellenbogen geklemmt werden. In der Schule
habe ihr die Lehrerin dann immer auf die Finger gehauen, wenn sie auf diese
Weise strickte. Ihre ersten Schuljahre - sie besuchte die Schillerschule in Rheinfelden
- fielen in die Zeit des Ersten Weltkrieges. So mußte sie für die Soldaten
warme Sachen - Strümpfe und Ohrwärmer - stricken. Als Anreiz wurde in der
Klasse um die Wette gestrickt. Jeder, der wieder zehn Runden geschafft hatte,
durfte an die Tafel vor und es den Kameradinnen kundtun. Daheim führte sie
Wettstricken mit ihrer älteren Schwester aus. Am Sonntagnachmittag trafen sich
die Kameradinnen reihum bei einer anderen daheim, saßen auf der Bank vor dem
Haus, strickten oder spielten gemeinsam Ball. Nach der Schule arbeitete sie in der
Fa. Hoffmann-La Roche in Grenzach. Zu der Zeit stickte sie - wie ihre Arbeitskolleginnen
- viel, vor allem Richelieuarbeiten. Dafür gingen ihre Mittagspausen,
aber auch die Wartezeiten auf den Zug drauf, erinnert sie sich. Für ihre Kinder
nähte und strickte sie später wieder emsig. Selbst Unterhosen und Unterleible
fertigte sie selbst. Als es nach dem Zweiten Weltkrieg wenig Wolle gab. wurden
stets die zu klein gewordenen Kinderpullis aufgetrennt. Man nannte sie Sweater,
da sie seitlich Knöpfe hatten. Die aufgetrennte Wolle spannte sie auf ein Brett,
wusch sie. damit sie sich nicht mehr kringelte, und verstrickte sie erneut. Von
ihren Schweizer Verwandten bekam Frau Fluri zudem manchmal Tabak, den sie
gegen Garn eintauschte. Daraus strickte sie Strümpfe, die sie wiederum gegen
Lebensmittel abgab. Einmal jährlich hielt sie sich deshalb in Köln auf, wo das
Tauschgeschäft besonders gut ging. Doch sie strickte nicht nur für den eigenen

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