Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 4688,fm
Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
63.2001, Heft 1.2001
Seite: 233
(PDF, 68 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-2001-01/0235
Revolution 1848 / 49
Aus dem Tagebuch des Pfarrers Ludwig von Rötteln

„Der letzte Junisonntag 1849 war ein schöner Sommertag, und wunderbar lieblich
bestrahlte die Sonne das schöne Wiesental. Es wurde an diesem Tag in den
evangelischen Gemeinden das Reformationsfest gefeieret zur Erinnerung an die
Übergabe der Augsburger Konfession am 25. Juni 1530.

Nach dem Gottesdienst erging ich mich ein wenig im Garten, als ich plötzlich in
den Pfarrhof gerufen wurde. Da trat ein Unteroffizier in Begleitung eines Lörracher
Bürgers auf mich zu und erklärte mir, daß er den Auftrag habe, mich zu
verhaften. Auch ein junger Mann aus Kandern, der die Gottesdienste besucht hatte
und mein Gast war, wurde mit verhaftet; wir wurden beide dann hinabgeführt an
die Wiesebrücke bei Tumringen. Dort hatte sich eine Freischarenabteilung mit
Musik und unter der Führung des polnischen Obersten Raquillet aufgestellt, von
einem großen Haufen Neugieriger umgeben.

Es hatte sich nämlich damals in der Umgegend von Kandern und Lörrach eine
Art Gegenrevolution gebildet. So wurden dann von den Revolutionsbehörden verschiedene
Freischarenhaufen abgesandt, um die Widerspenstigen zu bändigen
oder gefangen zu nehmen. So hatte schon am Morgen jenes Sonntags ein Zusammenstoß
von Freischaren und Volkswehren bei Riedlingen stattgefunden, in welchem
der Freischarenführer Schmidt, ein früherer Kunsthändler aus Wiechs, getötet
wurde; eine andere Abteilung unter Anführung des polnischen Obersten Raquillet
war nach Binzen abgesandt worden, wo sich eine Anzahl Bürger und
Bürgermeister von der Ordnungspartei versammelt hatten, um über geeignete
Maßregeln gegen die Revolution zu beraten. Diese wurden nun größtenteils gefangen
genommen und, etwa 30 an der Zahl, nach Kandern abgeführt. Auf dem Wege
dahin machten sie an der genannten Wiesebrücke Halt.

Als ich nun auch diesen Gefangenen zugeführt wurde, empfing mich der Polake
zornglühend mit den Worten: „Du Hund, was brauchst du einen Stock?" Damit riß
er mir denselben aus der Hand und warf ihn über den Graben in das Wiesengelände
hinein. Ich wollte mich nun verteidigen und berief mich auf die von der Reichsverfassung
proklamierte Religions- und Gewissensfreiheit. Der Oberst aber wie
die ganze wilde Schar schrie und brüllte mich so heftig an und überhäufte mich so
sehr mit Schimpfworten, daß ich nicht zu Wort kommen konnte. Gleich aber ließ
er Stricke herbeiholen, und wir Gefangenen wurden nun alle an den Wagen gebunden
, die zur Weiterbeförderung der Freischaren requiriert worden waren, und
mußten wir in starkem Schritt denselben folgen. Dem Bürgermeister Schanzlin
von Kandern wurde jedoch zur größeren Schmach ein Strick um den Hals geschlungen
. Auf dem Wege durch Rötteln rief einer meiner nächsten Nachbarn, als
er mich erblickte, in nicht gerade wohlwollender Absicht aus: „Der chömmt nüm-
me!", das heißt, der kommt nicht mehr heim.

233


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-2001-01/0235