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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
63.2001, Heft 1.2001
Seite: 256
(PDF, 68 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-2001-01/0258
Immer wieder hören wir von der „schrecklichen Theuerung des Jahres 1770 und
1771". Ungewohnt viel Regen hatte im Sommer 1770 die meisten Feldfrüchte
verdorben, anderes (das Obst) wurde infolge mangelnden Sonnenscheins überhaupt
nicht reif. Kartoffel betrachtete man damals kurioserweise in der Hauptsache
noch als Viehfutter. Einer Statistik zufolge soll es im Mai an 19, im Juni an
14, im Juli an 23, im August an 11 und im September an 24 Tagen stark geregnet
haben.

Im darauffolgenden Winter gab es eine Hungersnot ohnegleichen. Jetzt endlich
wurden Kartoffeln als Leckerbissen erkannt und verzehrt.

Im Frühling danach aß man zeitgenössischen Berichten zufolge „junge Nesseln,
Spaltgraß ... und andere Arten Feldkräuter. Viele kochten und backten nur Kleyen
." Das Jahr 1771 wurde zwar fruchtbar, doch aus Furcht vor neuer Hungersnot
blieben die Getreidepreise noch das ganze Jahr über ungewöhnlich hoch.

Noch schlimmer kam es 1816/17. Da man sah, daß es ein schlechtes Jahr würde,
zogen die Preise bereits im Juni an. Ein Pfund Brot kostete bis zu 24 Kreuzern
(mehr als 5 DM), ein Zentner Kartoffel bis zu 3 Gulden (über 50 DM). Obst war
kaum gewachsen und nicht zu erhalten. Ein Maß des geringsten Weins (ca. 2
Liter) kostete mehr als einen Gulden. Selbst Bier wurde nicht unter 20 Kreuzer das
Maß verkauft. „Mit bleichen, hagern, abgezehrten Gesichtern schlichen sie, die
Hungernden, wie Gespenster herum und nahmen die Milde der Bemittelten in
Anspruch. Zwar wurden viele, ja eine große Summe von Wohltaten gespendet,
woran die Kirche einen wesentlichen Anteil hatte. Mit dem besten Beyspiele
schritt unser gnädigster Herr (Großherzog Karl) voran; in alle verarmten Gemeinden
ließ er Früchte (Feldfrüchte) entweder ganz unentgeldlich oder im Gnadenpreise
, und zu bessern Zeiten zahlbar, austheilen; auch wurde eine Menge verfallener
Schuldigkeiten ganz oder zum Theil erlassen. Überall bildeten sich Wohltätigkeitsvereine
zur Unterstützung der Armen. Es wurde Brod und Sparsuppe
ausgetheilt und dem Unglücke gesteuert

Viele nahmen diese Teuerungszeit auch zum Anlaß auszuwandern. Vor der 48er
Revolution gab es dann nochmals Mißjahre und entsprechenden Notstand. Die
1845 erstmals auftretende Kartoffelseuche machte sich ebenso wie die Getreidemißernten
und der rapide Bevölkerungszuwachs durch die beginnende Industrialisierung
im Wiesental bemerkbar. Die Erschütterungen der Revolutionsjahre sowie
die anschließende kritische Situation der badischen Staatsfinanzen bewirkten das
ihre, und es brauchte mehr als ein Jahrzehnt , bis sich die volkswirtschaftlichen
Verhältnisse wieder einigermaßen stabilisiert hatten und - besonders in den ersten
Jahren nach dem Krieg 1870/71 - einigermaßen Wohlstand und auch Abbau der
Teuerungsgefahren gewährleistet waren. Das Hungerjahr 1817 wiederholte sich
kurioserweise exakt 100 Jahre danach im Ersten Weltkrieg. Die letzten Hungerjahre
zum Ende des Zweiten Weltkrieges und besonders nach 1945 sind vielen
noch in guter Erinnerung. Die helfende Hand der Basler Nachbarn durch Unterbringung
und Spenden in all diesen Kriegs- und Notjahren soll dabei nicht unerwähnt
bleiben.

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