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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
63.2001, Heft 2.2001
Seite: 216
(PDF, 34 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-2001-02/0218
Renare Franz:
Der vergessene Weltmeister -
das rätselhafte Schicksal des Radrennfahrers Albert Richter
Hermann-Josef Emons-Verlag Köln. 32.00 DM

Albert Richter. Radweltmeister aus Köln, ist in Lörrach ein Unbekannter. Lediglich
Radsportinsider und eingefleischte Stadtchronisten haben diesen Namen schon einmal irgendwo
gehört. Richter war Weltmeister der Radsprinter in den Dreißiger Jahren. Zu dieser
Zeit lockte der Radsport Zigtausende in die Radarenen und faszinierte dort die Massen. In
dem Buch „Der vergessene Weltmeister" erzählt Renate Franz das Leben des Albert Richter
bis zu seinem Tod in Lörrach und liefert ein bewegendes Stück Radsportchronik und ein
bedrückendes Stück Lörracher Stadtgeschichte.

Am 3. September 1932 gewinnt Albert Richter in Rom den Weltmeistertitel im Radsprint
. Der 19-jährige Arbeitersohn aus Köln hatte bereits im Vorfeld mit Siegen bei namhaften
Rennen überrascht. Richter wurde daraufhin Berufssportler und verband damit die
Hoffnung, der Arbeitslosigkeit zu entkommen und seine Familie finanziell unterstützen zu
können. Richter wohnte in den Folgejahren fast ausschließlich in Paris, wo er sich einer
Gruppe von Radsprintern anschloss. die. vergleichbar mit dem heutigen Skizirkus, von
Rennen zu Rennen reiste. Durch seine Rennerfolge in Europa und Nordamerika genoss
Richter eine Popularität, die heute nur noch absoluten Spitzensportlern zuteil wird.

Nach der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 erging die
Anordnung, alle gesellschaftlichen Kräfte gleichzuschalten. Das traf auch auf die Radsportverbände
zu. Sie wurden zwangsvereinigt, umbenannt und verboten. Aus ideologischen
Gründen lehnten die Nationalsozialisten den Berufssport zwar ab - gleichzeitig schmückte
man sich mit den internationalen Erfolgen eines Max Schmeling und auch eines Alben
Richter. Richter war Nationalismus fremd. Eine französische Sportzeitschrift schrieb: ..Wir
haben ihn als Freund betrachtet und werden es immer tun. Er war ein Freund Frankreichs.
Er hat es mehrmals bewiesen. Und er hatte keine Angst, es zu sagen." Zum Eklat kam es
bei den Weltmeisterschaften 1934. als Albert Richter als einziger deutscher Fahrer den
Hitlergruß verweigerte, auch bevorzugte er bei internationalen Auftritten das Trikot mit
dem deutschen Reichsadler und lehnte jenes mit dem Hakenkreuz ab. Sein jüdischer Manager
Ernst Berliner war zwischenzeitlich ins Ausland geflohen.

Bei einem Rennen in Mailand erfuhr Richter vom Überfall auf Polen am 1. September
1939. Er reagierte auf den Kriegsausbruch verzweifelt und kündigte gegenüber engsten
Freunden an. dass er Deutschland verlassen werde. ..Ich bin Deutscher, aber für Deutschland
kann ich nicht kämpfen, wenn es sich gegen Frankreich wendet. Ich gehe nach Frankreich
, nicht um mich der Wehrpflicht zu entziehen, sondern um nicht auf Menschen schießen
zu müssen, die ich liebe, die mich lieben und denen ich soviel zu verdanken habe."
Nach einem Rennen im Dezember 1939 beschloss Richter. Deutschland zu verlassen und in
die Schweiz auszureisen. Am 31. Dezember 1939 bestieg er den D-Zug in Köln in Richtung
Basel. An der Grenze bei Weil am Rhein wurde Richter strengsten Untersuchungen unterzogen
und in das Gerichtsgefängnis nach Lörrach eingeliefert. Ein Devisenvergehen wurde
ihm vorgeworfen, denn er hatte 12 700 Reichsmark bei sich. In der Nacht vom 3. auf den
4. Januar 1940 starb Richter in seiner Zelle oder im Folterkeller des Gestapoquartiers in der
Villa Aichele - offizielle Todesursache ..Selbstmord durch Erhängen". Der Völkische
Beobachter verkündete die Todesnachricht mit der Überschrift ..Heute rot - morgen tot".

Jahrelang hatte Richters Manager versucht, die Wahrheit über dessen Tod herauszufinden
. Erst im Februar 1966 erstattete er Anzeige gegen Unbekannt „zum Nachteil des
ehemaligen Radrennfahrers Albert Richter". Die Ermittlungen gestalteten sich als schwie-

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