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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
64.2002, Heft 2.2002
Seite: 140
(PDF, 32 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-2002-02/0142
warteten in der Grenzstadt Lörrach wie zitiert zahlreiche Ausländer auf eine Ausreisemöglichkeit
.31 Aufgrund begrenzter Übernachtungskapazitäten verbrachten
viele der Betroffenen die Nacht im Freien, zum Beispiel im Hebelpark. Um die
Zustände in der überfüllten Stadt zu ändern, erlaubte das Großherzogliche Innenministerium
am 1. August kurzfristig unverdächtigen Ausländern bis 3. August die
Ausreise in die Schweiz.4) Abgesehen von solchen Ausnahmeregelungen blieb die
Grenze in der Frühphase des Krieges weitgehend geschlossen. Es ist leicht vorstellbar
, was dies für die Betroffenen bedeutete - von Arbeitern, die auf der
anderen Seite der Grenze arbeiteten, bis zu den Menschen, die Verwandte im
Nachbarland hatten.

Mindestens genauso drastisch wirkte sich der Kriegsbeginn auf die Versorgungslage
in der Grenzregion aus. Wie bei der zweiten Momentaufnahme gesehen
, mangelte es in Lörrach Anfang August an Milch. Bei ungefähr 15 000 Einwohnern
lag der Tagesverbrauch damals insgesamt bei 6000 Litern. Bis zu diesem
Zeitpunkt kam über die Hälfte der in der Stadt verbrauchten Milch aus der benachbarten
Schweiz, deren Behörden nun aufgrund des Kriegsbeginns die Ausfuhr von
wichtigen Lebensmitteln untersagten. Die deutsche Reichsregierung erließ zur
gleichen Zeit ebenfalls ein Ausfuhrverbot. Darunter fielen neben zahlreichen Genussmitteln
auch Obst. Gemüse und Futtergut.5! Die elsässischen und Markgräfler
Bauern, die bisher regelmäßig auf den Basler Markt geliefert hatten, stellte dies
vor große Probleme. Vermutlich aufgrund eines Überangebotes während der Erntezeit
wurde am 2. September 1914 zumindest für die Zeit bis 15. September die
Ausfuhr von frischem Obst in die Schweiz wieder gestattet.6)

An den beiden geschilderten Momentaufnahmen zeigt sich, welche unmittelbaren
Folgen die europäische Krise im Jahr 1914 auf die Menschen und den Handel
in der Grenzregion am Rheinknie hatte. Zwar wurden in der Folgezeit Modalitäten
für den Grenzübertritt festgelegt, und auch die Schweiz exportierte nach längeren
Verhandlungen zwischen Bern und Berlin in geringerem Maß wieder Milch nach
Südbaden.71 Das Jahr 1914 stellt für das Gebiet an Ober- und Hochrhein dennoch
einen markanten Einschnitt dar. Seitdem war der Grenzübertritt nichts Selbstverständliches
mehr. Es wäre falsch, die Zeit davor als harmonisches „Regiozeitalter"
zu denken. Regionale und lokale Differenzen bestanden. Und auch das Nationalstaatsdenken
hatte Verbreitung gefunden und somit für Abgrenzung gesorgt.
Trotzdem bot die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg weitreichende Möglichkeiten für
Kontakte und Verbindungen zwischen den Menschen in Südbaden, dem Elsass
und der Nordwestschweiz. Basel war das unbestrittene Zentrum einer Region mit
vielfältigen gemeinsamen Traditionen und Verbindungen.

Seit 1914 setzte verstärkt eine Entwicklung ein. die sowohl ein wirtschaftliches
als auch ein soziales und kulturelles Auseinanderdriften der Teilregionen förderte.
Begonnen hatte diese Entwicklung bereits durch die Schaffung moderner Nationalstaaten
und damit homogener Wirtschaftsräume im Verlauf des 19. Jahrhunderts
. Der Beitritt des Großherzogtums Baden zum Deutschen Zollverein 1836
und die Schaffung einheitlicher Wirtschaftsräume in Frankreich und der Schweiz

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