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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
65.2003, Heft 1.2003
Seite: 148
(PDF, 32 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-2003-01/0150
Es ist wahr: Manfred Marquardt betrat die Szene der alemannischen Dialektliteratur
mit Aplomb. Seine Verse erregten unter Kennern sogleich Aufsehen ob ihrer
gedanklichen und emotionalen Differenziertheit, ihrer autochthonen und melodiösen
Klanglichkeit, ihrer gewandten und eingängigen Sprache. So souverän hatte
lange niemand mehr die Mundart zu handhaben verstanden: auch hatte lange
niemand mehr eine vergleichbare Anzahl Gedichte geschrieben, die auf solcher
Höhe standen. Doch nicht nur in der offensichtlichen Fülle erinnerte dieser neue
Autor an Hermann Burte. dem Marquardt erstaunlich undistanziert gegenüberstand
- seine Gedichte waren auch von einer vergleichbaren Unangestrengtheit
und hohen „Selbstverständlichkeit" mundartlichen Sprechens, die im zeitgenössischen
Mundartschaffen ohne Parallele waren.

Derselbe Grad an Vertrautheit mit der Mundart seiner Markgräfler Lebenswelt
zeichnete den nächsten Band aus. der nur zwei Jahre später unter dem Titel „Noo
de Zwölfe!" erschien. Schon dem Titel war abzulesen, dass sich der zeit- und
zivilisationskritische Gestus des ersten Gedichtbandes unter dem Eindruck der
drohenden Eingriffe in die Natur in eine apokalyptische, von Untergangsvisionen
bestimmte Szenerie gewandelt hatte. „Noo de Zwölfe!" war aber, vor allem für die
Freunde des Autors, auch nicht zu verstehen ohne die psychische und mentale
Belastung, die Marquardts schwere und unheilbare Erkrankung hervorgerufen hatte
. Die Unterschrift unter dem Brief, mit dem Manfred Marquardt dem Autor
dieser Zeilen das Bändchen damals übersandte, um zugleich eine gemeinschaftliche
Lesung der Freunde im Lörracher „Theater im Riesgässchen" anzukündigen,
ließ erkennen, in welchem Maße die Tumorerkrankung den erst 54-jährigen bereits
erfasst hatte. Manfred Marquardt erlag ihr denn auch nur wenige Wochen
später Anfang 1982. Postum hat seine Frau, die ihren Mann bis zum Tode betreut
und gepflegt hat. 1984 „Nachgelassene Gedichte in Alemannisch" herausgebracht
- wiederum im Umfang der beiden ersten Bände.

Drei Gedichtbände also, vom Erscheinunsszeitraum auf fünf Jahre zusammen
gedrängt, lassen den Eindruck einer späten, offensichtlich vehement hervorbrechenden
Produktion entstehen. Das ist richtig und falsch zugleich. Denn weder hat
Marquardt die Mundart spät für sich entdeckt, noch begann er überhaupt erst
gegen sein Lebensende zu dichten. Geschrieben hatte er gewissermassen schon
immer; doch als Öffentlichkeit genügte ihm der engere Kreis der Freunde - bis
nach Mitte der 70er Jahre die regionalistische Zeitstimmung auch ihn erfasste und
er seine alemannischen Verse auch drucken ließ und öffentlich vortrug. Es waren
Lesungen im gesamten südbadisch-alemannischen Raum - bald vor mehr „klassisch
literarischem", bald eher „alternativem" Publikum, wie es die „Volkshochschule
Wyhler Wald" oder das Offenburger Freiheitsfest von 1980 bot. auf dem
die Idee einer „Kulturgenossenschaft Dreyeckland" geboren wurde.

Wenn Marquardt sich als deren Sprecher verstand, so aus einem als legitim
aufgefassten Recht auf basisnahe Gegenöffentlichkeit wider die dominierenden
Kalküle von Politik. Wirtschaft und Interessen verbänden. Mundartdichtung und
-lieder wurden damals gewissermassen zum „musischen Arm" der badisch-elsässi-

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