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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
67.2005, Heft 1.2005
Seite: 151
(PDF, 26 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-2005-01/0153
Lassen Sie mich hier ein paar deutschsprachige Dichter des 19. Jahrhunderts
anfuhren, die sich fast ganz auf ihren heimatlichen Raum beschränkten und dabei
große Werke schufen:

Der Schauplatz von Jeremias Gotthelfs Welt ist vor allem das Emmental. die
Hochburg des bernischen Bauerntums, und dieses stellte er so großartig dar. dass
man vom „Shakespeare als Dorfpfarrer im Kanton Bern" gesprochen hat.

Gottfried Kellers ..Leute von Seldwyla" sowie die ..Zürcher Novellen" und
..Der Grüne Heinrich" spielen im Schweizer Mittelland, und die darin handelnden
Personen stehen in einer großen Lebensgemeinschaft und besitzen ein festes Traditionsgefühl
.

Annette von Droste-Hülshoff hat vor allem ihre karge Münsterländer Heimat
dichterisch gestaltet, wie etwa im Roman „Bei uns zu Lande auf dem Lande" und
der .Judenbuche" oder in ihren Heidegedichten.

Der österreichische Dichter Adalbert Stifter beschränkte sich in seinen Werken
fast ganz auf den böhmisch-bayerischen Wald, und in dieser heimatlichen Landschaft
besitzen seine Menschen in familiären und freundschaftlichen Bindunsen
ihren Halt.

Auch bei Theodor Storm war das Verwurzeltsein in seiner schleswig-holsteinischen
Landschaft fast die einzige Grundlage seines dichterischen Schaffens.
Und als er nach dem verlorenen deutsch-dänischen Krieg von 1848-1850 seine
Heimat für 14 Jahre verlassen musste. schrieb er am 3. Dezember 1854 an Mörike:
„Mir ist aber, seit ich in der Fremde bin. als sei das rechte warme Productionsver-
mögen in mir zerstört. Vielleicht, wenn ich erst wieder Boden fasse."6' Und als er
nach dem Umschwung der politischen Verhältnisse wieder nach Husum zurückkehren
durfte, warf er das ganze Elend der Potsdamer und Heiligenstädter Jahre
mit dem einen Ruf von sich „Wedder to Huus". wieder daheim.

Diese wenigen Beispiele mögen genügen, um zu zeigen, dass uns die Hinwendung
der deutschsprachigen realistischen Dichter des 19. Jahrhunderts zur heimatlichen
Landschaft und deren Menschen große literarische Werke beschert hat.
Diese sind fast nie provinziell, sondern sie gehören im Gegenteil nicht selten zum
unvergänglichen Schatz der deutsch-sprachigen Literatur.

Übrigens wissen wir ja auch aus der Geschichte, dass Kultur ganz allgemein
in überschaubaren gesellschaftlichen und politischen Einheiten wie in den Stadtstaaten
Athen oder Florenz besser gedieh als etwa im deutschen Kaiserreich ä la
Bismarck. So hat Nietzsche wohl nicht ganz unrecht, wenn er meint, dass bei dessen
Gründung im Jahre 1871 das Reich den Geist besiegt hat.

Welche Erfahrungen und Erkenntnisse gewann ich nun noch bei der Beschäfti-
gung mit der Heimatgeschichte? Schon bald fand ich die Ansicht des spanischen
Kulturphilosophen Ortega y Gasset bestätigt, dass jede Kulturgesinnung notwendigerweise
eine Bindung an die Vergangenheit beinhalte und das Aufgeben dieser
„historischen Kultur" unweigerlich in die Barbarei führen müsse.7'

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