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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
71.2009, Heft 1.2009
Seite: 154
(PDF, 31 MB)
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Grenzerfahrungen: Eine Exkursion in die Vogesen

Walter Vogelpohl

Fratzen, schemenhaft bleibende Gestalten, in der Faust das Bajonett oder die
Handgranate. Soldaten des Ersten Weltkriegs, in deutschen oder französischen
Uniformen, aus den Gräben aufeinander losstürmend. Kriegsbilder. Optik des
Grauens. Die jugendlichen Besucher vor den Vitrinen im Kriegsmuseum schweigen
... Wirken verunsichert.

Von draußen hört man Militärmusik.

„D'Marseillaise, s'Deitschland iber olles, beids zamme, hintereinander, nit
gegenenander. Des hett' mr sich nit vorschdelle kenne. Friehner."

Der alte Elsässer stellt sich interessiert zu den jungen Leuten: eine südbadische
Schülergruppe, sechzehnjährige Gymnasiasten, mit ihren Lehrern auf Elsass-Tour.
Erster Halt auf dem „Berg des Todes", dem Hartmannsweilerkopf in den
Südvogesen. Seit Jahrzehnten eine pompös-gewaltige Grabstätte für die Gefallenen
des Ersten Weltkriegs. Verklärte Vergangenheit: Helden ruhen hier. Franzosen und
Deutsche. Das Vaterland dankt für den Einsatz.

Der alte Herr, Franzose mit deutscher Mundart, ist offensichtlich sehr berührt
von dem, was es gerade zu sehen gibt. Deutsche und französische Soldaten paradieren
gemeinsam inmitten aussagekräftiger Kulisse. Fahnen flattern, zackige Märsche
erklingen über den längst vermoderten Resten der armen Teufel, Franzosen
und Deutschen. Die deutsch-französische Brigade, eine europäische Elitetruppe.
Der deutsche Feind marschiert jetzt mit, als engster Freund der Franzosen. Beide
Nationalhymnen erklingen. Zum Schluss die Europahymne. Die Lehrerin zitiert
die Texte. Sie klingen pathetisch, nach Blut und Vaterland. Schon wieder das „Vaterland
"! Einfach antiquiert. Sagen die Schüler.

Die Mädchen und Jungen sind mehr oder weniger beeindruckt vom Gesehenen.
Einige weniger. Ihr Einwand:

Im Geschichtsunterricht wurde man so oft über Kriege abgefragt. Darunter viele
Kriege, in denen Deutsche gegen Franzosen kämpften. Soldaten gegen Soldaten,
die Zivilbevölkerung litt damals eher indirekt. Aber das sei alles weit weg. Im Geschichtsbuch
! Bürgerkriege, Kampf der Kulturen, Terrorismus, das seien doch die
heutigen Schlachtfelder! Frauen und Kinder die Opfer. Überhaupt: Menschen werden
immer brutal sein. Inzwischen gebe es Gewaltfilme auf dem Handy.

„Das Blut spritzt so geil." Aber im Grunde harmlos. Täter und Opfer nicht echt.

Einer fragt, tut naiv: „Wer waren die Täter in den Weltkriegen? Oder gab es nur
Opfer...?"

Im Unterricht wurde das Thema ausführlich besprochen. Zwei benachbarte europäische
Kulturvölker hatten sich einen gnadenlosen Kampf bis aufs buchstäbliche
Messer geliefert. Die geistigen Eliten bejubelten am Anfang das Morden. Die

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