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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
29. Heft.1949
Seite: 142
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Diese Erzählung, nach der ein englischer Prinz unseren Vorfahren das Christentum
gebracht und unsere Heimatstadt gegründet habe, ist eine Legende. Die
Gestalt des sagenhaften Gründers von Offenburg ziert heute noch den Nordgiebel
unseres Rathauses. Und hin und wieder kam es vor, daß ein Offenburger Bürger
seinen Sohn auf den Namen Offo taufte. Richtig an dieser Erzählung ist jedoch,
daß unsere Vorfahren, die Alemannen, am Ende des 6. Jahrhunderts noch Heiden
waren. Der griechische Geschichtsschreiber Agathias (f 582) berichtet, daß die
Alemannen noch Bäume, Bäche, Berge und Schluchten verehrten und Pferde und
Ochsen opferten. Auch der Paktus Alemannorum, der aus der selben Zeit stammt
und in dem die Rechtsgewohnheiten unserer Vorfahren festgelegt sind, zeigt, daß
die Alemannen damals noch kein inneres Verhältnis zur Kirche hatten. Agathias
gibt aber in seinem Bericht der Hoffnung Ausdruck, daß der Verkehr mit den
Franken im Alemannenvolk eine innere Wandlung herbeiführen werde. Denn
100 Jahre vorher waren die Alemannen bei einem ungestümen Ausdehnungsversuch
nach Nordwesten von dem Frankenkönig Chlodwig auf die Selz-Murglinie
zurückgeworfen und in den folgenden Jahrzehnten unter die Botmäßigkeit des
fränkischen Staates gebracht worden. Die ersten Karolinger, Karl Martell und
Pippin, gliederten den Alemannenstamm in das fränkische Reich ein. Und unter
Karl dem Großen wurde die Ortenau, der nördliche Grenzgau des Alemannenlandes
, eine fränkische Grafschaft. Als deren Gerichtsstätte wird 926 Kinzigdorf
erwähnt. Hand in Hand mit der politischen Eingliederung unserer Heimat in den
Frankenstaat vollzog sich auch die Christianisierung; denn die Einheit des religiösen
Bekenntnisses war ein wirksames Mittel zur Stärkung des politischen Einflusses.
Die Ortenau war der erste rechtsrheinische Alemannengau, in dem das Christentum
Eingang fand; lag doch über dem Rhein das große Missionszentrum Straßburg.
Die ersten Stätten christlichen Glaubens waren die fränkischen Königshöfe und
Krongüter. Ein solcher kirchlicher Mittelpunkt wurde schon sehr früh Nußbach
für das ganze Renchtal. Die ältesten Gotteshäuser wurden dem hl. Martin geweiht.
Wenn in einer Straßburger Urkunde vom Jahre 845 für die Ortenauer Gaugrafschaft
der Name „pagus Martinhauga" erscheint, der dann bis zur Mitte des
15. Jahrhunderts „Mortenau" heißt, so könnte man auf den Gedanken kommen,
daß in dieser Gaubezeichnung der Name des fränkischen Nationalheiligen steckt.
Diese Urkunde ist jedoch eine Fälschung des 11. Jahrhunderts.

Aber nur langsam gewann das Christentum Boden. Die systematische Christianisierung
der Ortenau sowie des gesamten Alemannenlandes ist das Werk der
iro-schottischen Mönche. Diese Männer — ein hl. Fridolin, Kolumba, Gallus,
Landolin und Trudpert — unerschrocken, von heiliger Begeisterung getrieben, mit
einer auf das Praktische gerichteten Auffassung der christlichen Lehre, kamen auf
Anregung der fränkischen Könige und gründeten die ersten Klöster. Sie lehrten
unsere Vorfahren beten, arbeiten und siedeln. Ihnen verdanken wir letzten Endes
alle Kultur. Die Abteien Gengenbach, Schuttern, Schwarzach, Ettenheimmünster
und Hönau, die von Königen, Grafen und Herzögen mit Grundbesitz ausgestattet
wurden, waren nicht nur Stätten christlichen Lebens, sondern auch Verwaltungsmittelpunkte
und die ganze Umgebung befruchtende Kulturzentren. Deshalb wurden
sie vom fränkischen Staat wirtschaftlich stark gefördert. Wie groß die Wirkung
der iro-schottischen Missionare war, zeigt die Lex Alemannorum. Dieses Stammesgesetz
aus der ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts ist von christlichem und kirchlichem
Geist durchweht.

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