http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1949/0149
„Beghinen" stammt aus Belgien
. Dort vereinigten sich
fromme Mädchen, die in den
bestehenden Klöstern keine
Aufnahme finden konnten,
aber das Bedürfnis nach religiöser
Gemeinschaft hatten
, zu enthaltsamem beschaulichem
Leben. Die hohen
kirchlichen Kreise sahen diese
Vereinigungen nicht gern,
verdächtigten ihre Rechtgläubigkeit
und nannten sie „be-
ginae", d. h. Ketzerinnen. Der
Name blieb. Die Einrichtung
verbreitete sich rasch, und
in Deutschland entstanden
zahlreiche Beghinennieder-
lassungen. In Straßburg lassen
sich nicht weniger als
70 solcher Häuser nachweisen
. Diese Beghinenhäuser, Gewölbe desJJoseph-Chörlelns in der HI. Kreuz-Kirche
die man auch Gotteshäuser
nannte, waren die Zuflucht der Handwerkerstöchter, die sich nicht verehelichen
und keine befriedigende Stellung finden konnten. Diese Schwestern
führten ein stilles, gottgeweihtes, dem Gebet und der Arbeit gewidmetes Leben,
legten aber kein Ordensgelübde ab, sondern versprachen nur für die Zeit ihres
Aufenthaltes im Hause Gehorsam und Enthaltsamkeit. Ihre Tracht bestand aus
einem wollenen Rock von schwarzer oder grauer Farbe mit einer Kapuze, die nur
das Gesicht freiließ. In aller Frühe gingen sie in die nächste Kirche zur Messe.
Ihre Arbeit bestand in Stricken, Nähen und Spinnen. Sie besuchten Arme und
pflegten Kranke in deren Wohnungen. Von wohlhabenden Familien erhielten sie
Bezahlung. Man holte sie, um bei Leichen zu wachen und den Begräbnissen und
Seelenmessen beizuwohnen. Die Reichen legten Wert darauf, daß möglichst viele
Beghinen mit brennenden Kerzen an ihren Beerdigungen teilnahmen. Jedem Haus
stand eine Meisterin vor. Die erste Offenburger Beghine begegnet uns 1307 in
einer Urkunde des Klosters Allerheiligen. Es ist Lutgardis Möchin, begina de
Offenburg. Die Niederlassung erfuhr wirtschaftliche Förderung. So vermachte ihr
der Priester Heinrich von Offenburg, Chorherr von St. Gangolf in Toul, im Jahre
1326 Bodenzinsen zu Ebersweier und Nesselried. Im Lauf der Zeit öffnete das
Haus auch seine Pforten Frauen aus dem wohlhabenden Bürgerstande, die ihr Vermögen
mitbrachten. Dank solcher Vermächtnisse entwickelte sich die Offenburger
Niederlassung zu einem wohltätigen, religiösen und sozialen Institut, das Not
lindern half. Für die kräftige Entwicklung des Hauses sprechen die Namen.
Während wir 1367 und 1378 von Katherina von Appenwiere, der Meisterin,
und den Schwestern in der „von Schuttertal Gotzhus zu Offenburg" hören, heißt
die Niederlassung 1401 das „große Gotshus zu Offenburg". 1432 heißt das Haus
„der Richkalden Gotzhus". Wenn wir diesen letzten Namen lesen, drängt sich
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