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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
33. Heft.1953
Seite: 20
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ein ganz unmöglicher Gedanke. Bis dahin waren die Ortsnamen
längst erstarrt, d. h. ihr Sinngehalt war dem Bewußtsein des Volkes
längst verloren gegangen; im Falle der angeblich römischen -weiler-
Namen hätten sie ihn ja überhaupt nicht gekannt, und erst recht
nicht vier bis fünf Jahrhunderte später. Es lag damals auch gar kein
Bedürfnis nach einem solchen neuen Worte vor, sonst wäre dieses
neu gewonnene Wort in den damals neugegründeten Dörfern bei
der Kolonisation des deutschen Ostens verwendet worden; es fehlt
dort aber völlig.

Auf der anderen Seite ist in der ganzen so umfassenden spätantiken
Literatur, in den zahlreichen römischen Geographiehandbüchern
, Kursbüchern, Land- und Routenkarten, in all den vielen
Zehntausenden von Inschriften, die so viele antike Ortsnamen nennen,
nicht ein einziger römischer -weiler-Ort genannt worden. Die lateinischen
Lexika kennen aus dem ganzen antiken Schrifttum nur eine
einzige Stelle, wo villaris auftritt, und da nicht als Ortsname, sondern
als Adjektiv; der römische Naturwissenschaftler Plinius spricht
da von gallinae villares, d. h. von Hühnern, die auf einem Gutshof
(villa) gehalten werden. Damit können wir nichts anfangen. Auch in
den frühesten Dokumenten der fränkischen Merowingerzeit erscheint
das Wort als Adjektiv; Erwähnungen als Ortsnamen sind zunächst
sehr selten, die älteste am Ende des 5. Jahrhunderts, und zwar auf
französischem Boden. Auf diesem erscheinen sie überhaupt gut ein
Jahrhundert früher als die ersten Erwähnungen auf deutschem Boden.

Steinbac h19) hat sicher recht, wenn er annimmt, dieser Typus
mit germanischem Personennamen und romanischem Grundwort,
germanischer Zusammenfügung (vgl. Friedrichsstraße neben rue
Frederic), aber — wenigstens in der älteren Zeit — mit romanischem
Fugenvokal (z. B. Ermenbert-g-villare) sei eine Schöpfung der germanisch
-romanischen Mischkultur der frühen Merowingerzeit und,
so meine ich, wohl zuerst auf nordfranzösischem Boden, dem Schwerpunkt
von Chlodwigs Reich. Es ist offenbar dann von den Deutschen
in ihre Sprache übernommen worden als neue Bezeichnung für eine
neue Sache, also etwa für eine Siedlung höriger Bauern um einen
Gutshof. Nach seinem Eintritt in den deutschen Wortschatz konnte
es mit der Ausdehnung des Frankenreiches weiter nach Osten wandern
, und Deutsche konnten mit ihm neue Ortsnamen bilden. Bei
den Bayern und Sachsen, die sich am längsten gegen die fränkischen
Einflüsse gewehrt haben, findet es sich überhaupt nicht. Neuere

") Steinbach, Studien zur westdeutschen Stammes- und Volksgeschichte 1926, vor allem
S. 126 ff. und S. 148 f.

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