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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
34. Heft.1954
Seite: 212
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wahrt, wo nur geringster Schaden im Stalldach war, fielen sie ein, fraßen sich
die Bäuche voll und verschliefen die Tage in den Löchern der Felsen im Walde.
Wohl stellten die Bauern Nacht für Nacht mit Dunggabeln und Prügeln bewaffnete
Wachen aus; diese erschlugen oder erstachen auch einige der Bestien, aber es
waren ihrer zu viele, und entlegene Höfe konnten in den Schutz der Wachen
nicht einbezogen werden. Man baute Fallen und legte vergiftete Köder aus, aber
die Fallen blieben leer und die Köder unberührt.

In der größten Not endlich kam der Herrschaft vom Waldstegener Schloß ein
Sohn vom Kriege heim, der lehrte die Bauern, wie Fanggruben anzulegen waren:
über ausgehobene Gruben wurden aus starken Bohlen niedere Hütten ohne Boden
mit schadhaften Dächern gestellt, über den Gruben schwebten, sorglich in
schützende Matte gehüllt, ein lebendes Schaf oder eine Ziege. Gierig fielen die
durch das Blöken oder das Meckern angelockten Wölfe in die vermeintlichen
Ställe ein und wurden dann in den Gruben durch Steinwürfe zu Tode gebracht.

Bis zum Ende dieses Winters wurde kein Wolf mehr gespürt, aber in einer
Höhle des Wolfertsteines säugte eine Wölfin, die letzte des Rudels, ihre
Jungen, der Wolisvater trug unermüdlich Atzung bei. Der Herrensohn umschlich
mit seinem Schweißhund Tage und Wochen diese letzte Burg des Wolfsgesindels,
traf aber weder auf den Wolf, noch auf die Wölfin. Das Wild hatte sich wieder
verzogen, und in den Bauernhöfen mehrten sich die nächtlichen Einbrüche von
neuem. Die Gruben wurden wieder fängisch gestellt, aber Wolf wie Wölfin
mieden sie. Da ließ sich der Herrensohn einen Hochsitz am Wolfertstein bauen,
und von hier aus eräugle er unter einem von Brombeerranken umsponnenen
Überhang das Lager der jungen Wölfe. Mit einem Knüppel erschlug er die vier
Jungen, und im Frühlicht des folgenden Tages traf tödlicher Feuerstrahl die ihre
toten Jungen leckende Wölfin.

Einsam blieb der Wolf, keine Gefährtin gesellte sich ihm mehr zu. Aber des
Jägers Nachstellungen begegnete er mit immer wacher Vorsicht, nur die Sättigung
machten ihm der Herrensohn und die Bauern schwer. So magerte er im hellen
Sommer ab und erst recht im dunklen Winter. Im frühen Lenz umschlich er, vom
Hunger geplagt, ein vor den Pflug gespanntes Dchslein, dessen Bauer gerade
vesperte — aber er hatte eine schwere Axt zwischen die Knie gestellt. Mißmutig
legte er sich am Waldrand nieder, seine Rute schlug mißmutig den Boden. Lange
sah er dem wieder pflügenden Bauer zu, Schwäche ließ ihm die Lider über die
Gucker fallen. Da hörte er sich vom Walde aus angesprochen. Er schnellte hoch
und zog die Lefzen zurück.

„Höre meinen Vorschlag, Isegrim!" sprach der Herrensohn. „Dein Fell hängt
schlaff um deine eingefallenen Lenden, sie werden im nächsten Winter noch
schmäler werden. Willst du in deinem Lager elendiglich verhungern? Sieh, ich
richte dir im Hofe meiner Burg einen Verschlag, in dessen Frieden verbringst du
bei guter Atzung deine letzten Jahre .. ."

„Ei!" höhnte der Wolf. „Hinter den Eisenstäben des Zwingers willst du mich
als letzten meines Geschlechtes deinen Gästen zur Schau stellen, mir halb verludertes
Wild vorwerfen. Und ist solches nicht zur Hand, soll ich die Schüssel
teilen mit deinem Helfer, dem Entarteten aus der Reihe meiner Ahnen, der sich
von dir das Gesetz seines Handelns vorschreiben läßt? Nein! Ich kenne nur
mein Gesetz: das Wild zu hetzen in freier Bahn, daß mir der Geifer aus dem
Fange rinnt, das Gehetzte anzuspringen, ihm die Lebensader aufzureißen, mich zu
sättigen, wie meines Magens Wollust es fordert, und dann zu ruhen, bis neue
Jagd mich lockt!"

„So war's. Aber deiner Flechsen Spannkraft ist verbraucht. Du tätest doch
wohl besser . . ."

„Spare deine Worte, Jäger! Welch einer meines Geschlechtes hätte sich je in

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