Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
35. Heft: 45 Jahre, 1910 - 1955.1955
Seite: 70
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mußten. Heute würden diese alten Steine unter Denkmalschutz stehen
und an der Kirchenmauer aufgestellt sein — und unsere heimatliche
Geschichte wäre um manches reicher!

Das Jahr 1816 leitete das härteste Hungerjahr ein, das unsere
heimatliche Geschichte verzeichnet — abgesehen von jenen während
des Dreißigjährigen Krieges, die Menschenwerk waren. Bis in den
Juni 1816 hatte es geschneit, und schon im frühen Herbst trat wieder
Frost und Schneefall ein; das Brot aus dem geernteten Getreide
war fast ungenießbar. Schon gegen das Jahresende setzte daher eine
große Teuerung ein, so daß die Regierung Lebensmittelpreise festsetzte
, die Ausfuhr von Kartoffeln wurde ganz verboten. Aber im
Frühjahr 1817 stieg die Not aufs höchste, und es war ein Glück, daß
der Zehnte noch nicht aufgehoben war und die herrschaftlichen
Fruchtspeicher noch Vorräte enthielten, die verteilt wurden. Nach
einem schlechten Frühjahr aber gab es einen schönen Sommer, so
daß die Ernte gut war. Die Gedenkmünzen, die die Regierung im
Hungerjahr 1817 schlagen ließ, sollten an jenes denkwürdige Jahr
erinnern. Auch mein Urgroßvater Johann Jakob Spielmann hat jenes
Jahr in seinem Tagebuch erwähnt.

Im Jahr 1821 wurde das heutige Pfarrhaus erbaut.

Die Jahre 1845 und 1846 waren wieder schwere Mißjahre, und die
damit wieder einsetzende Hungersnot hat wesentlich zu den Unzufriedenheiten
beigetragen, welche die Volkserhebungen von 1848
und 1849 auslösten. Diese häufigen Notjahre haben aber auch die
starke Auswanderungsbewegung ausgelöst: In den Jahren 1830 bis
1850 wanderten 129 Personen aus, 1852 waren es 63, 1854 gar 92,
1855 11 Familien mit zusammen 69 Erwachsenen und Kindern. Diese
69 reisten auf Kosten der Gemeinde nach Amerika, d. h. sie wurden,
da es sich um durchweg arme Leute mit zahlreichen Kindern handelte
, einfach abgeschoben. Die Gemeinde nahm zu diesem Zweck
ein Kapital von 5000 fl. auf, die Reise ging von Achern bis Mannheim
mit der Bahn, von da bis Antwerpen auf einem Rheinschiff, wo
sie von dem Schiffsbefrachter Strecker & Stock zur überfahrt übernommen
wurden. Die überfahrtkosten betrugen für Personen über
zwölf Jahre 65 fl., für Kinder bis zwölf Jahre 46 fl. Die Schiffsleitung
stellte während der Uberfahrt nur den Platz zum Kochen im
Zwischendeck; Wasser, Holz und Licht, alle übrige Verpflegung
mußten die Auswanderer mitbringen. Merkwürdigerweise setzte nach
dem siegreichen Krieg von 1870/71 eine neue Auswanderungswelle
ein, die bis gegen 1890 andauerte.

Im Jahr 1855 betrug die Einwohnerzahl 803, darunter 138 schul-

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