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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
36. Heft.1956
Seite: 10
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1956/0012
Es wollte mir immer besonders bezeichnend erscheinen, daß bereits
der junge Scheffel jenes Wort finden konnte, das sonst erst
von den Lippen langer und schmerzlicher Lebenserfahrung zu fallen
pflegt: „Das Leben hat eine spezifische Schwere, und wer's zu leicht
nimmt, kann sich täuschen."

Diese „spezifische Schwere" des Lebens, das fast unausgesetzt ihn
bedrängende und bedrückende Bewußtsein derselben hat Scheffels
Erdenwallen nur selten eine ungetrübte Glückssonne leuchten lassen
. Zweifel und Zwiespalt haben dieses Dasein fast durchweg als
unholde Geister beherrscht. Zunächst der Zwiespalt zwischen dem
vom Vater gewünschten Beamten- und dem vom Sohne erträumten
Künstlerberuf, und nachdem diese Frage zugunsten des letzteren
entschieden worden war, abermals der Zweifel, ob dieses Künstler-
tum sich in der Eigenschaft des Malers oder des Dichters auswirken
solle. Der Dichter siegt. Jedoch die frühen Erfolge des „Trompeters
von Säckingen", des „Ekkehard", beide vor dem dreißigsten Lebensjahre
geschaffen, bedeuten für eine Natur vom Schlage Scheffels zugleich
eine unerhörte Belastung und Verpflichtung: Wird er sie
jemals wiederholen, überbieten können?

Allein alles, was er an neuen Stoffen anfaßt, wird von jener „spezifischen
Schwere" des Daseins umschattet, vom Schicksal gewissermaßen
aus den bereits mit der Formung beschäftigten Händen weggeschlagen
. So der Plan des Romans „Irene von Spilimberg", in
dessen Titelheldin, einer hochbegabten Schülerin Tizians, der Bruder
der abgöttisch geliebten Schwester Marie ein strahlendes Denkmal
setzen wollte. Mitten in den Vorstudien und ersten Entwürfen raubt
ihm der Tod, an dem er sich eine Art Mitschuld aufbürden zu müssen
glaubt, die Schwester und läßt es fortan unmöglich erscheinen,
sich weiter mit dem Stoffe abzugeben, der nur kaum vernarbte Wunden
wieder aufgerissen haben würde.

Außerdem scheint ein neuer, größerer Plan den alten ablösen zu
wollen. Im Herbst 1857 gibt Scheffel auf der Wartburg seinem Gönner
, dem Großherzog Carl Alexander von Sachsen-Weimar-Eisenach,
das Versprechen eines um die Gestalt Heinrich von Ofterdingens
gruppierten Wartburgromans. Dieser beansprucht in den kommenden
Jahren sein ganzes Sinnen und Trachten. Und wiederum vermag
Scheffel einen Zwiespalt nicht zu lösen, den er selbst durch seine
Arbeitsweise in die Aufgabe hineingetragen hatte, denn jene wissenschaftliche
Gewissenhaftigkeit, die bereits den „Ekkehard" mit einer
Unsumme von Quellennachweisen, Belegen und Kulturzeugnissen
untermauert hatte, schleppt diesmal eine derartige Fülle philologi-

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