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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
36. Heft.1956
Seite: 157
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Aber — um Gotteswillen — kein Mißverständnis: es ist nicht an dem, als ob
hier nun Otto Flake zu einem Heimatdichter gestempelt werden soll, obwohl
hiermit gewiß keine Minderung des literarischen "Wertes guter Heimatdichtung
ausgesprochen sein soll. Indessen, Flakes schöpferische Leistung ist mehr oder doch
mindestens ein anderes, denn sein dichterisches Werk wurzelt auch in einer
kulturell betonten Weltoffenheit von höchstem Format. Aber vielleicht ist eben
dies, der Dualismus zwischen heimatlichem Geborgensein und weltoffener Sehnsucht
zur großen Ferne, das Entscheidende, wenn man werten und einordnen
will. Erst in diesem Verschlungensein von Heimat und Welt, von Landschaft und
Menschenschicksal ergibt sich aus innerer dichterischer und künstlerischer Notwendigkeit
die große Einheit eines lebensnahen Kunstwerks. Und ich glaube, die
Beispiele haben längst jeden von dieser besonderen künstlerischen Kraft des
Dichters überzeugt.

Gewiß, das soziale Milieu des Romans liegt auch bei „Schloß Ortenau" auf der
Ebene der Bildung und der Kultur und damit in einer gesellschaftlichen Schicht,
deren Problematik dem gesamten Werk Flakes wesenhaft verbunden ist. Seine
Romane sind stets irgendwie kulturkritisch betont, und wenn man will, ist er
der große Darsteller der adlig-bürgerlichen Gesellschaft des neunzehnten und
zwanzigsten Jahrhunderts, international sogar, in einem Maß intellektueller Konzentration
wie bei keinem anderen deutschen Schriftsteller der Gegenwart.

Aber dies nebenbei, so wesentlich es ist. Doch soll wenigstens andeutend und
abschließend von der rein dichterischen Formkraft dieses Romanes etwas gesagt
werden; in Form von zwei Proben. Sie sind, glaube ich, bezeichnend auch für die
Kunst der Darstellung des Menschlich-Menschlichsten. Das erste ist jene von
keuscher Zurückhaltung getragene Szene, da zwei Menschen, Dr. Sparre und
Sabine, die Tochter des Schloßherren, sich erstmals rinden:

Als Sabine ihre Arbeit beendet hatte, setzte sie sich in den Sessel neben mir
und betrachtete die Photos. Das Radio ging zu Wagner über, den ich nicht
ausstehen konnte, ich drehte ab und schlug Sabine vor, den Tee zu versuchen,
den Herta mitgebracht und mir hinterlassen hatte. Sein Aroma war so
sublim, daß ich nie etwas Magischeres gekostet zu haben glaubte. An diesem
Tag der gesteigerten Erregbarkeit sprachen aus allem, was ich sah, roch,
hörte, betastete, die Dämonen unmittelbar, die zarten und die wilden. Als
hätte ich sie beschworen, nahmen sie Stimmen an. Elementare Laute kamen
von draußen, die Wetterfahne auf dem First begann zu ächzen, der Bergwald
rauschte auf. Sabine ging zum Fenster und zog die Vorhänge zurück.
„Es schneit", sagte sie und kam mit den glänzenden Augen eines Kindes auf
mich zu. Ich hatte an diesem Abend mit ihr über die Gestaltung unseres gemeinsamen
Lebens sprechen wollen, über die bürgerliche Form, der wir uns
im System der Stockwerke nicht entziehen konnten, und wußte eine Stunde
später nicht, ob ich beschämt war oder beglückt; wir hatten uns vergessen ...

Das Glück war von kurzer Dauer. Sabine verunglückt, ein grausamer Zufall,
der moderne Tod der Landstraße schlug mit knöcherner Faust sie nieder. Das
Kind aus erster Ehe, Jung-Ursula, bleibt zurück. Dr. Sparre aber findet, nach

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