Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
36. Heft.1956
Seite: 256
(PDF, 67 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1956/0258
Bären, den ein Bärentreiber ins Dorf gebracht hatte, in die Waden pfetzte. Doch
Schulkameraden, Eltern und Lehrer waren über diese Heldentat anderer Meinung.
Aber wacker hat sich der vorwitzige Bub gehalten, als er ins eiskalte Wasser fiel
und sich selbst wieder ohne fremde Hilfe herausschaffte. Den Großvater, den
einstigen Schullehrer, kann sich der 64jährige Verfasser gar nicht aus seiner
Kindheit wegdenken. Dieses und vieles andere, z. B. das Rutschen am Glockenseil
, bei dessen Nacherleben die zerschundenen Hände nochmals schmerzten, weiß
der Herr Spiritual so frisch und wahr und lebenswarm zu berichten, so daß wir
es geradezu beim Lesen miterleben. Wie recht aber hat er auch, wenn er sich
fragt: „Warum hat man uns zum Zeichnen gar nie hinausgeführt in Gottes freie
Natur und hingestellt vor die Wunder der Schöpfung? Das hätte nicht bloß der
Gesundheit gute Dienste geleistet, es hätte auch den Blick geschärft und das Auge
beizeiten aufmerksam gemacht auf die Schönheit der heimatlichen Landschaft, auf
den stillen Zauber unserer Berge und Wälder, auf die märchenhaften Wolkenbildungen
am Himmel droben und auf den Farbenschmelz unserer Gärten, Felder
und Wiesen darunter." „Und immer wird es mir von neuem klar, daß meiner
Kindheit schönste Blume brach an jenem Tage, als der Vater starb!" So endet
das Büchlein, dessen letztes Kapitel man nicht besprechen kann, sondern selbst
lesen muß.

Schenkt das Buch der heutigen Jugend, die solche Lektüre benötigt, und greift
selbst danach, es führt euch in die schöne Jugendzeit zurück, wo ihr soviel Liebes
und Gutes, Freude und Frohsinn erfahren durftet!

„Schloß Ortena u". Der neue Roman von Otto F l a k e.

„Schloß Ortenau" ist eine Schöpfung dichterischer Phantasie, der Phantasie des
seit Jahrzehnten in Baden-Baden wohnenden, aus dem Elsaß stammenden Schriftstellers
Otto Flake („Schloß Ortenau", Roman, 318 Seiten. Hundt-Verlag, Hattingen,
Ruhr. 1955. Leinen 12,50 DM).

Wohl ist das Phantasieschloß Ortenau, das dem Freiherrn von Ortenau gehört,
Mittelpunkt des Romangeschehens, wohl ist die Landschaft zwischen Rheinstrom
und Hornisgrinde, zwischen Kinzigtal und Murg auf das Wunderbarste geschildert
(immer wieder hören wir von Greffern und Offenburg, von Neusatz und Zell a. H„
von Sasbachwalden, von Baden-Baden, von Achern, Bühl und Rastatt): aber der
eigentliche Schauplatz dieses großartigen Romans der Gegenwart — er spielt in
den Jahren 1948 bis 1955 — ist das menschliche Herz, der Mensch unserer Zeit.

Wir haben einen Ich-Roman vor uns. Die Ich-Gestalt des Romans ist der 60 jährige
Archivar Ewald Sparre; diese Gestalt ist im wesentlichen, im Geistigen, der Autor.
Sparre wird eingeladen, bei günstigen Bedingungen bei dem Freiherrn von Ortenau
auf Schloß Ortenau Dauergast zu sein. Auf dem Schloß wohnen gleichzeitig eine
Reihe von Männern und Frauen, die alle irgendwie Typen unserer Zeit sind. Jede
Gestalt hat ihr eigenes Gesicht, ihr eigenes Gesetz, ihr eigenes Schicksal. Sparre
gewinnt die Liebe einer feinsinnigen Frau, der Tochter des Freiherrn. Sie fällt
einem Verkehrsunfall zum Opfer. Wie Sparre ein neues Glück findet, muß man im
Roman nachlesen. An Hand dieser Handlung setzt sich Flake mit allen Problemen
unserer Zeit, dem religiösen, dem politischen und dem sozialen zumal auseinander.
Die Sprache ist prägnant und klar. Es gibt keine Längen, keine Stellen, über die
man hinwegliest. Man ist im Bann des Geschehens von der ersten bis zur letzten
Zeile. Neben dem „Goldenen Land" finden wir die Schweiz, Oberbayern und sogar
Abessinien als Schauplatz der Handlung.

Flake ist kein Heimatdichter. Er ist, im oberrheinischen Raum wurzelnd, von
europäischem Format. „Schloß Ortenau" ist die Schöpfung eines großen Erzählers,
eines Kenners der Welt und des Menschenherzens. Der Fünfundsiebzigjährige ist
jung geblieben: weltoffen, aufgeschlossen.

Emil Baader.


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1956/0258