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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
37. Heft.1957
Seite: 41
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den Stadien der ersten Entwicklung dem Einzelnen, vorab der Frau, innerhalb
der allgemeinen Form genügende Freiheit für den Ausdruck individuellen Geschmacks
, und zweitens heben sich aus der Masse relativ Wenige, die solchen
besitzen, heraus, und von denen sind es nur ganz vereinzelte Ausnahmen, die den
Mut aufbringen, als extravagant kritisiert zu werden, mit welcher Feststellung
ich übrigens dem Können der ja auch dem „Volke" zugehörigen Trachtennäherinnen
nicht abträglich sein will. Aber unterstellen wir den „zünftigen" Meisterinnen
dieses Handwerkszweiges die landläufige normale Durchschnittsbegabung,
so verstehen wir bei gleichbleibender Moderichtung allmähliches Ausbleiben neuer
Ideen, und damit beginnt die „Mode" zur „Tracht" zu erstarren. Je weiter ab
aber ein Volkskörper von den großen Verkehrsstraßen lebt, in desto vollkommenere
Starrheit verfällt seine Tracht, ihr inneres Leben stirbt ab, und neue
Formen treten an den belebteren Plätzen, an denen, wie an Gerichts- und Marktorten
wie Bühl oder an Badeorten wie Erlenbad, Hub, Baden-Baden, rascherer
Personenwechsel stattfindet, an die Stelle der veralteten, und wenn diese sich
in den Bauerndörfern, besonders in abgeschlossenen Tälern, noch halten, so ist
dies mehr dem Konservativismus unseres Bauernstandes als der Freude an der
Tracht zuzuschreiben. Auch wirtschaftliche Gründe sprechen hier herein, denn
die Beschaffung der Tracht, die aus guten Stoffen gearbeitet wird, kostet Geld.
So wird sie äußerst schonlich behandelt und durch zwei und mehr Generationen
vererbt — eine weitere Erklärung für die Erstarrung wie auch für das — schließlich
nur noch äußerliche Weiterleben der Tracht auf dem Dorfe, während sie in
der „Stadt" und in belebteren Landorten schon im Abgang begriffen ist. So wird
die ursprüngliche „Volks"-Tracht zur Bauerntracht. Was ich über die Tracht der
Frauen sagte, gilt erst recht für die der Männer: der Übergang von der Mode zur
Tracht und damit auch deren Erstarrung vollzog sich, da der Bauersmann im
allgemeinen von wechselnder Mode noch weniger beeindruckt wird als die Landfrau
, rascher als bei den Frauen. Sie war um die Mitte des XVIII. Jahrhunderts
bereits abgeschlossen.

Die erstarrte Bauerntracht, in welcher also das innere Leben erstorben ist,
kann nur als Zerfallserscheinung in der Volksgemeinschaft gewertet werden, ihr
Schwund wird eingeleitet durch Zeiten wirtschaftlicher Nöte. Unter solchen hat
die Bauernbevölkerung unserer Landschaft im Übermaß gelitten; trotzdem hätte
ihre Tracht sich als anpassungsfähig an die auch „technisch" wandelbare Mode
erwiesen, etwa durch Umwandlung der Röcke der Männer zur weniger schwerfälligen
und doch gleich kleidsamen Joppe, so wäre diese, wenn erst abgenutzt,
vielleicht „abmontiert", noch bei der täglichen Arbeit verwendbar gewesen, die
Tracht hätte sich halten können; aber in ihrer Erstarrung blieb sie ausschließliches
Feierkleid und mußte in den Notzeiten von 1789 an untergehen. Sie hielt sich
noch bis in die dreißiger Jahre unseres Jahrhunderts, und heute sieht man sie
nur noch bei alten Leuten, welche den Übergang zur modischen Kleidung nicht
zu finden vermögen. Einen Beleg für meine Auffassung über das Schwinden der
Bauerntracht in unserer Gegend gibt Professor F r o m m e 1 s Kupferstich vom
Jahre 1825, „Burg Windeck von Waldmatt aus gesehen". Er zeigt die Bauersleute

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