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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
37. Heft.1957
Seite: 51
(PDF, 59 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1957/0053
Die Bettler und der Bettelvogt

Zur Entwicklung des Fürsorgewesens in Mittelbaden
vom Mittelalter bis in die Gegenwart

Von R. G. Haebler

Wenn man heute von der mittelalterlichen Einrichtung eines Bettelvogts spricht,
so mag auf den ersten Blick scheinen, daß dieser Mann und die Aufgaben seines
Amtes — das ein Gemeinde-Amt war — eine längst in die Vergangenheit abgesunkene
Einrichtung darstellen. Schaut man aber näher zu, so wird man bald
innewerden, wie weitgreifend solch ein Bettelvogt gesellschaftliche und soziale
Funktionen ausübte, die heute noch, wenn auch in einem wesentlichen Sinnwandel
und Gestaltwandel, im Gefüge unserer Verwaltung vorhanden sind. Denn einem
Bettelvogt des Mittelalters waren in seiner Gemeinde Aufgaben zuerkannt, die
heute teils durch die Polizei, teils durch Wohlfahrtsämter und Fürsorgevereinigungen
und durch die Wohlfahrtsverbände erfüllt werden. Insofern kann man
hierbei von Anfängen einer Sozialpolitik und der Sozialfürsorge sprechen, nur
daß der Einrichtung des Bettelvogtes keine Rechtsansprüche gegenüberstanden,
sondern eine Verpflichtung der Gemeinde, zum Teil auch der staatlichen Obrigkeit
vorlag, vor allem aber die christliche Verpflichtung aller Besitzenden, sich
der Armen, der Bedürftigen, der Bettler anzunehmen.

Im Mittelalter unterschied man zwei Gruppen von Bettlern: die eine waren
die „Reisenden Bettler", oft einfach Bettler genannt; zu ihnen zählten auch Wallfahrer
, die bettelten. Bei der starken Verbreitung der Wallfahrt, die oft auch in
ferne Länder, namentlich nach Italien führte, war die Zahl der bettelnden Wallfahrer
nicht klein. Daneben gab es aber auch Landstreicher, professionelle Bettler,
die überhaupt keinen Wohnsitz hatten. Wobei sich wohl von selbst versteht, daß
es nicht immer leicht war, echte Wallfahrer von Landstreichern zu unterscheiden,
die sich gerne als fromme Pilger zu irgendeinem Gnadenort tarnten.

Die andere Gruppe war die der sogenannten Hausarmen. Sie waren eine
genau umgrenzte soziale Kategorie, nämlich die ansässigen Armen, die aus
irgendwelchen Gründen auf Almosen und Bettel angewiesen waren, um ihr
Leben fristen zu können: die heutigen Fürsorgeempfänger.

Das Charakteristische aber war — und das galt für beide Gruppen —, daß
der Bettel im sozialen Gefüge des Mittelalters eine mindestens gewohnheitsrechtlich
eingebaute gesellschaftliche Funktion darstellte, und daß in jenen Jahrhunderten
, namentlich von etwa 1500 an, alles öffentliche Leben in bestimmten
Formen geregelt wurde, so schließlich auch das Betteln, namentlich in den
Städten.

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