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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
37. Heft.1957
Seite: 55
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Die mittelbadischen Revolten hatten ihre Herde mehr in den nördlichen und
südlichen Gebieten der Markgrafschaft und in den angrenzenden Herrschaften.

Immerhin kann man annehmen, daß nach dem Bauernkrieg die Zahl der Bettler
und der „Hausarmen" sich vermehrt hat, so daß man in Baden um 1528 die
Bettelvogtsordnung, von der nunmehr im einzelnen zu sprechen sein wird, in
der vorliegenden Fassung niederschrieb. Hier heißt es nun im Paragraph Eins:
Jeder, so allhie zu Baden als Bettelvogt angenommen wird, soll die nachstehend
beschriebenen Artikel zu halten eidlich geloben. Der zweite Paragraph stellt fest,
daß der Bettelvogt alle Almosen und Spenden, die von der markgräflichen Herrschaft
oder von den Bruderschaften gegeben werden, getreulich und freundlich
und „on alle geverde" unter die armen Menschen „nach Gelegenheit der Personen
" austeilen solle. Bezeichnend, daß nach dieser Bettelvogtsordnung von 1528
nunmehr die Vergabung auch von Bruderschaftsspenden in der Hand des beamteten
kommunalen Fürsorgers liegt.

Die Verteilung, so heißt es weiter, habe ohne Ansehen der Freundschaft oder
Feindschaft zu erfolgen, auch ohne zu berücksichtigen, ob ihm, dem Bettelvogt,
daraus etwas an Nutzen entstehen möge („daruß ime etwas genyeß entsteen
möcht"). Der Bettelvogt war also ausdrücklich zur Unparteilichkeit und Gerechtigkeit
im Amt verpflichtet.

Ein eigenartiges Licht auf offenbar eingerissene Bettlersitten wirft die nächste
Bestimmung. Sie verpflichtete den Bettelvogt, darauf zu achten, daß „kein Bettler
oder ein armer Mensch weder an Feiertagen noch am Werktag in der Kirche ohne
Erlaubnis des Pfarrers und Schultheißen sammelt". Unter dem Schultheiß ist hier
der markgräfliche Amtmann zu verstehen, wie aus dem folgenden Artikel hervorgeht
. Dieser Abschnitt ist auch bädergeschichtlich interessant. Er bestimmt, daß
der Bettelvogt keinem Bettler, der zu einer Badekur nach Baden kommt und nachweisbar
„des badens notturftig ist", ohne besondere Erlaubnis des Schultheißen
oder des Bürgermeisters zu betteln gestattet. Ferner dürfe er keinem dieser Bettler-
Kurgäste länger als drei Wochen den Badeaufenthalt gestatten. Alle diejenigen
auswärtigen Bettler aber, die nicht als anerkannte, des Badens bedürftige Menschen
nach Baden kommen („so nit badeten"), habe der Bettelvogt unverzüglich
abzuschieben „und gantz nit gedulden".

Diese auf den ersten Blick eigenartig berührenden Bestimmungen über den Gebrauch
einer Badekur durch Bettler und Arme tauchen übrigens meines Wissens
zum erstenmal auf in einer schon im Jahre 1487 vom Markgrafen Christoph I.
erlassenen Verordnung, in welcher der Fürst im Zusammenhang mit der Vergabung
und Führung des Freibades als Bäderlehen an Hans Ulrich den Scherer —
Scherer ist der mittelalterliche Name für Chirurg — folgendes kundtat: „Wenn
ein fremder armer Mensch drei Wochen oder längstens einen Monat im Freibad
gebadet hat, mag ihn der Scherer gütlich hinwegweisen, damit nicht den Badenern
des Bades wegen Überlast von Bettlern erwachse. Es wäre denn, daß etwa ein
armer Mensch des Bades länger als die erwähnte Zeit bedürfe ..."

Man wird, nebenbei gesagt, in diesem Erlaß eine der ersten, wenn nicht die in
der deutschen Bädergeschichte überhaupt erste staatliche Verfügung zu „Sozial-

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