Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
37. Heft.1957
Seite: 57
(PDF, 59 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1957/0059
verstehen ist, sondern etwa „allgemein zugänglich" bedeutet — „zu der Kirche,
besonders an Sonn- und Feiertagen zu befördern".

Der Grund der Baden-Badener Bestimmung in der Bettelvogtsordnung ist für
jeden, der die Stiftskirche kennt, klar: dahinten, unter dem Turm, im dunkelsten
Winkel der dunklen Kirche, standen sie nicht im Angesicht der Gemeinde, so daß
dadurch ein Ärgernis seitens der ehrbaren Frauen und Jungfrauen vermieden wurde.

Nach allen diesen ausführlichen Anweisungen oblagen dem Bettelvogt also auch
Aufgaben der Sittenpolizei. Seine Pflichten erstreckten sich aber auf diesem Gebiet
der polizeilichen Überwachung noch weiter. In einem weiteren Paragraphen
wird festgelegt, daß er „alle rugbar Sachen", die ihm zur Kenntnis kommen, ja,
denen er nachzugehen habe, zu melden hatte. Der Bettelvogt repräsentierte demnach
auch die Fahndungspolizei. Zur Aneiferung seines kriminalistischen Fleißes
erhielt er dann „die halb eynung", die halbe Geldbuße, als Belohnung. Erfüllte
er aber alle diese Pflichten nicht, ist er nachlässig oder säumig, läßt er gar sich
etwas schenken oder sich sonstwie bestechen, so soll man ihn anzeigen. Er wird
dann vom Schultheiß, Bürgermeister und dem Gericht „nach ihrem Willen" gestraft
und dazu seines Dienstes entlassen. Immerhin darf man in der hier ausgesprochenen
Festlegung von drei Instanzen — der staatlichen, der städtischen
und der gerichtlichen Gewalt — auch einen gewissen Schutz für den Bettelvogt
im Fall von derartigen Anzeigen sehen. Offenbar hatte man die Erfahrung gemacht
, daß solche Anzeigen nicht immer einwandfrei waren und einer genauen
Prüfung unterzogen werden mußten.

Auch die Entlohnung für „sin muwe (Mühe), arbeyt und flyß" wurde in der
Ordnung geregelt. So bekam er jährlich einen Gulden vom Bürgermeister „aus
der statt gefällen"; ferner hatte er Anspruch auf einen Teil des Almosens, das
von der gnädigen Herrschaft gegeben wurde, sowie von allen Spenden: „wie von
alters her", wird dabei betont, so daß man annehmen darf, diese Ordnung des
Bettelvogts in Baden von 1528 konnte auf ein damals schon hohes Alter zurückblicken
. Um aber zu verhüten, daß der Bettelvogt allzuviel aus den Spenden abzweige
, setzt die Ordnung noch ausdrücklich hinzu: „Doch nit über noch als vil
als anderen armen gereycht werden, alles ungeverlich." Das heißt: weder das
Doppelte noch mehr als das Doppelte des Almosens, das gewöhnlich ein Armer
empfing. Soweit die hier als aufschlußreiches Beispiel behandelte Bettelvogtsordnung
der Bäderstadt Baden.

Es versteht sich aber wohl von selbst, daß ähnliche Ordnungen auch in anderen
Städten in jener Zeit bestanden, und daß diese Sozialordnung des Spätmittelalters
und in ihr die Armenfürsorge im wesentlichen wie in unserem Beispiel
auch in allen größeren Gemeinden in gleichen Formen durchgeführt wurde. Sie
hatten selbstverständlich im einzelnen ihre Besonderheiten, die sich aus der Struktur
der verschiedenen Städte und Landschaften und Herrschaften ergab. Es seien
deshalb nur noch einige Beispiele von der Regelung des Bettelwesens — wobei
man immer sich klar darüber sein muß, daß hierin auch die sogenannten „Hausarmen
", nach heutigem Begriff: die Fürsorgeempfänger, einbezogen sind — aus
dem oberrheinischen Gebiet und aus den folgenden Jahrzehnten erwähnt, von

57


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1957/0059