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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
37. Heft.1957
Seite: 58
(PDF, 59 MB)
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Landgemeinden nun und kleineren Städten. Diese Hinweise sind historisch aufschlußreicher
als etwa entsprechende Beispiele aus den Sozialordnungen der großen
Städte, weil aus ihnen hervorgeht, daß hier allgemeine Entwicklungstendenzen
kommunaler Sozialfürsorge vorliegen.

So enthält das Reichenauer Gerichtsbuch aus den Jahren 1573 und 1587 Bestimmungen
, die das Verbot an Schiffer und Fuhrleute aussprechen, fremde Bettler
auf die Insel Reichenau zu führen; falls diese zu Fuß kommen, dürfen sie
nicht länger als eine Nacht beherbergt werden. Den „Hausarmen" dagegen wird
gestattet, daß sie auch ihre Frauen und Kinder „nach dem almosen schicken" dürfen
. Aber wenn dann etwa einer der hungrigen und durstigen Fürsorgeempfänger
von 1587 das Almosen — die „Unterstützung" — in den Wirtshäusern verzecht,
erhält er eine Strafe. Läßt er gar Frau und Kinder Hunger leiden, so wird er
zugleich „an leibs hertigklich gestraft werden". Und „Leibesstrafen" waren in
jener Zeit sehr harte Strafen — das Abhacken eines Fingers war nicht selten.

In Offenburg scheint um 1600 das Bettelwesen besonders verbreitet gewesen
zu sein. In dem Ratsprotokoll von 1601 wird Klage geführt wegen „des großen
Überlaufs der armen leut", die an Sonntagen die Bürgerschaft anbetteln: „mehreren-
teils aus den königischen Dörfern", das heißt aus den umliegenden Dörfern der
Landvogtei Ortenau. Sie sollen jeweils bei den ortenburgischen Amtsleuten angezeigt
werden. Hier handelte es sich offenbar um die „Hausarmen" der Dorfgemeinden
, die sonntags nach Offenburg, in die Stadt kamen und hier versuchten
, sich durch Bettel zusätzliche Gaben zu verschaffen. Dies geht auch daraus
hervor, daß weiter bestimmt wird, „den Hausarmen sollen Spangen angehenkt
werden" oder sie sollen „Zettel" — Ausweise — erhalten, um vom Bettelvogt
Almosen zu erhalten. Dieser solle alle Samstage Brot bei der Bürgerschaft zur
Verteilung sammeln. Die Torwachen erhielten außerdem den Befehl, Bettlern ohne
Spangen oder Ausweise den Einlaß in die Stadt zu verweigern.

Aus der gleichen Zeit erfahren wir aus Wolfacher Gemeinderechnungen, daß
die Zahl der Bettler in den Jahren von 1600 bis 1647 stark anstieg: man wird
dabei allerdings beachten müssen, daß in diesen Zeitraum der Dreißigjährige Krieg
fällt. Eigenartig aber mag neben der relativ hohen Zahl der Bettler, welche die
öffentliche Fürsorge des Wolfacher Bettelvogts in Anspruch nahmen — es werden
in dem kleinen Städtchen im Schwarzwald jährlich über 100 Bettler nachgewiesen
—, die genaue Registrierung berühren, die sich auf die berufliche und
soziale Herkunft der Bettler bezog. Da werden wahrhaftig Edelleute und Geistliche
genannt, ferner Schulmeister, Studenten, Bürger, Bauern und schließlich auch
solche, die sicherlich vielen Grund hatten, beim Bettelvogt eine Gabe aus seinem
Fürsorgeetat zu fordern: Verwundete, Krüppel, Kranke. Nicht minder interessant
ist, aus welchen Gegenden Europas die Wolfacher Bettler kamen: es werden unter
anderen Burgund, Schlesien, Mähren und Ungarn genannt. Dabei darf man annehmen
, daß solche Bettler sich mit Weib und Kind durch die deutschen Lande
schlugen. So steht in der Wolfacher Stadtrechnung von 1604 aufgezeichnet:
„Ainem Schulmaister von Chur, so mit Weib und Khindern allhie gewesen, uf
barmherzigkeit mitthailt 8 D." (ZGO. 1866).

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