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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
37. Heft.1957
Seite: 189
(PDF, 59 MB)
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  (z. B.: IV, 145, xii)



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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1957/0191
n.

1701 hatte die Rebzunft eine Zunftstube, aber noch keine Zunftordnung. Möglicherweise
war eine frühere Zunftordnung in den Stürmen des Dreißigjährigen Kriege?
verlorengegangen. So wandten sich die Reb- und Ackersleute von Ettenheim 1716
an den damaligen Landesherrn, den Kardinal Armand Gaston von Rohan-Soubise
in Zabern, den sogenannten Großen Kardinal (1704—1749), und daraufhin erging
unterm 14. Juli 1716 eine Zunftordnung, die in 20 Artikeln alles Wesentliche regelt.
In Artikel 1 wird die Gehorsamspflicht gegenüber dem Zunftmeister, in Artikel 2
die Verpflichtung des Zunftmeisters statuiert, vor jedem „Gebot" Anzeige an den
Amtmann oder Schultheiß zu machen. Die Artikel 3—12 und 18 enthalten im wesentlichen
Strafbestimmungen für vorkommende Streithändel, Ungehorsam oder sonstiges
unziemliches Verhalten gegenüber der Zunft und bei Trunkenheit, in Artikel
13 Regelung der Nachfolge in der Zunftmitgliedschaft bei Todesfällen, in
Artikel 15 Aufrechterhaltung der alten Herkommen und Gebräuche, in Artikel 16
und 17 Bestimmungen für den Fall, daß ein Fremder Mitglied der Zunft werden will,
in Artikel 19 Verpflichtung der Handwerksleute, die ihren Beruf nicht ausüben, sich
bei der Rebzunft einzukaufen („einzulassen"). Die Strafen sind in Gulden, Schilling
und Pfennig bestimmt, wobei nach der damaligen Währung 12 Pfennig = 1 Schilling,
10 Schilling = 1 Gulden waren.

Die Bedeutung der Rebzunft — so der ursprüngliche Name, später auch Reb- und
Ackerbauzunft — geht schon daraus hervor, daß früher die Ettenheimer Gemarkung,
vor der Eingemarkung des Ettenheimer Gebirgswaldes mit 594 ha im Jahre 1807,
auf etwa 1550 ha zirka 250 ha Reben aufwies, eine der größten Rebanbauflächen in
Baden. 1952 waren es noch etwa 30, heute 20 ha.

Seit 1725 hatte die Rebzunft eine z. T. geschnitzte „Zunftlade", in der die Gelder,
Rechnungen, die alten Urkunden und sonstigen Schriftstücke der Zunft aufbewahrt
wurden. Sie enthält heute noch die beiden ältesten Urkunden, die von 1701 über
den damaligen Bau der Zunftstube und die von 1716 mit der Zunftordnung, beide
auf Pergament geschrieben.

III.

Mit dem badischen Gewerbegesetz vom 20. September 1862, das Gewerbefreiheit
und Freizügigkeit brachte, hörten die Zünfte als solche zu bestehen auf. Die amtliche
Rechnung der Rebzunft schließt mit dem 1. November 1862. Die Zunft bestand
aber im wesentlichen als gesellschaftliche Vereinigung weiter und besteht als solche
heute noch. Alle zwei Jahre, jeweils am Montag nach St. Sebastian (20. Januar), ist
großer Zunfttag, der morgens mit einem Seelenamt für die verstorbenen Mitglieder
eingeleitet wird, abends mit der Neuwahl des Zunftmeisters und der Beisitzer seine
Fortsetzung findet und daran anschließend mit einem großen Zunftfest in einem der
großen Säle Ettenheims ausklingt. Jeweils am darauffolgenden Sonntag findet die
feierliche Überführung der Zunftlade in die Wohnung des neuen Zunftmeisters statt.

IV.

So ist die Rebzunft das einzige Überbleibsel aus dem Ettenheimer Zunftleben, das
sich bis auf den heutigen Tag — wenn auch in anderer Gestalt und mit anderem
Zweck — hinübergerettet hat in unsere von Unruhe, Hast und „Tempo" erfüllte
Zeit, als wertvolles Zeichen der Traditionstreue der Ettenheimer Bevölkerung, insbesondere
seiner Bauern, deren Schar leider immer kleiner wird.

Aus der Allgemeinen Handwerkerzunft spalteten sich späterhin (1761 flg.) eine
Reihe von Spezialzünften ab, z. B. auch eine Zunft der Leineweber und der Nagelschmiede
, also von Gewerben, die es heute nicht mehr gibt. Die Allgemeine Handwerkerzunft
hatte noch eine Nachfahrin ähnlich der Rebzunft, die aber in den Wirren
der Inflation untergegangen ist, Handwerker, Geschäftsleute usw. schließen sich
jetzt ebenfalls der Rebzunft an. Dr jon ß Ferdinand

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