http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1958/0095
Nun sagt der wilde Jäger schlicht —
kein andrer ist es sonst gewesen —:
„Wer danken muß, versäum' es nicht
und tu es gleich und angemessen.
Nimm diesen Zweig und geh' zum Schlosse.
Dreimal berühr' damit den Stein,
dort ruht ein Schatz in seinem Schöße,
tu, wie ich sag', und er ist dein!"
Und mit dem ersten Sonnenlicht
sind Herr und Hund verschwunden.
Da zögert auch die Mutter nicht,
flugs ist sie von dem Strohsack unten.
Sie weckt ihr Kind und kleidet's an
und nestelt flink an ihrem Rocke
und zieht den Bub den Berg hinan —
vom Tal her klingt die Morgenglocke.
Da steht im Frührot überm Wald
schon des Brigittenschlosses Erker.
Die Mutter fröstelt, es ist kalt,
es pocht ihr Herzblut stark und stärker.
Ihr Zweig streift am Gemäuer hin,
und sieh — es öffnet sich die Mauer!
Da glänzt und glitzert es darin,
das Weib durchströmt ein heißer Schauer.
Rasch tritt es in den Höhlenschlund,
greift ins Gegleiß mit vollen Händen,
es sieht nicht mehr den schwarzen Hund,
so tut das Gold die Frau verblenden.
Sie rafft ins Fürtuch, was es hält,
was sie vermag vom goldnen Plunder
— um sie herum versinkt die Welt —,
und schleppt den Schatz den Berg hinunter.
Nun blitzt es in der armen Stub' —
Herrjeh! Der Reichtum nimmt kein Ende ..
Dann schreit sie jäh: „Wo ist der Bub?"
Die Mutter ringt voll Angst die Hände.
Wie wird ihr nur ums Herz so bang,
sie sucht ihr Büblein Stund' um Stunden,
im Schloß, im Wald, am steilen Hang,
es bleibt und bleibt verschwunden.
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1958/0095