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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
38. Heft.1958
Seite: 173
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fleißig, zäh und zielbewußt. Der Wein trägt seinen Teil bei, um die Menschen
des Tales zu formen.

Die Mundart von Neuweier empfing ihre Prägung durch besondere Einflüsse, sie
ist an sich niederalemannisch, geht aber in mancher Beziehung eigene Wege, so
daß sie in feinen Nuancen schon von der der Nachbargemeinden abweicht. In
nächster Nähe, der Oos entlang, verläuft die Grenze zwischen Alemannen und
Franken, fränkischer Einfluß macht sich da geltend. Ein besonderes Merkmal ist
der Wechsel von g zu w nach einem dumpfen a, z. B. Wagen = Wäwe. Für b
steht ebenfalls ein w nach offenem e, z.B. Reben = Räwe. n am Schluß eines Wortes
wird zu nasalem ng, z. B. Wein = Wing, mein = ming. Beim Infinitiv wird
das Endungs-n unterdrückt, z. B. spielen = spiele; ebenso die Vorsilbe ge beim
Mittelwort der Vergangenheit, z. B. gegangen — gange. Mhd. aej erscheint z. B. in
mäje = mähen, dräje = drehen. Noch häufiger als die Konsonanten verändern
sich die Vokale, a wird recht dumpf gesprochen, z. B. Bank = Bank, auch der
Diphthong au ist dumpf, z. B. Baum = Bäum. Die e-Laute sind ganz offen, z. B.
Rechen == Räche. Mhd. i bleibt erhalten, z. B. schreiben =* schriwe, reiben = riwe.
Mit dem Hochalemannischen hat der Dialekt von Neuweier das charakteristische
gemeinsam, daß im Gegensatz zum Schwäbischen der Zwielaut au auf dem mittelalterlichen
Vokal u stehenblieb, z. B. Haus = Hus, Maus = Mus. Die Mehrzahl
lautet Häuser = Hiser, Mäuse = Mis. Vergleichen wir noch Bruder = Brueder,
gut = guet, wo auch der mittelalterliche Zwielaut erhalten blieb. Eigenartig wird
das Mittelwort der Vergangenheit von sein gebildet, es lautet ganz breit gwä. Aus
dem Lateinischen stammt a se, z. B. es kommt von selber = s'kumt ase.

In Neuweierer Mundart würde der Text der bekannten Strophe Hebelscher
Dichtung lauten:

Der Sämsti het zum Sunnti gseit:
„Jez häb ich alle schlafe g'legt
Si sin vum Schaffe her un hin
Gär völlig mied un schläffrig gwä,
Un s'geht m'r schiergar selber so,
Ich kän fast uff kei Bei mer stih."

Die a klingen dumpf. Fränkischer Einfluß zeigt sich bei: g'legt, geht, kan.

Die Sprache lebt und vergeht wie der Mensch, der sie spricht. Immer mehr
dringt in den ländlichen Gemeinden die hochdeutsche Sprache vor, und der Mundart
wird es gehen, wie es der bäuerlichen Tracht gegangen ist.

Neuweier besaß einstens seine Volkstracht, es ist die Tracht der Bühler Gegend,
wie man sie auf einem Kupferstich des Professors Frommeis aus dem Jahre 1825
sehen kann. Die Männer trugen enge, schwarze Tuchhosen, die bis an das Knie
reichten und über dem Gelenk gebunden waren. Weiß oder farbig waren die
Strümpfe. Männer und Frauen trugen Schnallenschuhe. Uber das zinnoberrote,
grün eingefaßte Brusttuch zog man den schwarzen, bis in die Kniekehle reichenden
Zwilchrock. Um den breiten Kragen des weißen Hemdes wurde das schwarzseidene
Halstuch geknüpft. Auf dem Kopfe saß der breitkrempige Dreispitz aus
schwarzem Filz. Die Frauen trugen schwarze Zwickelröcke und weiße Strümpfe.
Uber dem schwarzen Mieder falteten sie in Dreiecksform ein seidenes oder wollenes
Tuch. Eine Schürze, Fürtuch genannt, umschloß fast ganz den Leib. Den Kopf
bedeckte eine schwarzsamtene Haube. Den unbedeckten Kopf der Mädchen zierte
ein Samtband. Wie würdevoll sahen wohl die Männer aus und wie reizend die
Frauen, wenn sie in diesem Sonntagsstaat zur Kirche schritten!

Ethnographische Eigentümlichkeiten einer Bevölkerung geben nützliche Fingerzeige
, wo sonstige Quellen versiegen, besonders für Frühgeschichte. So hat man
aus der gedrungenen Gestalt, aus der runden Kopfbildung der Bewohner, die in

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