Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
39. Heft.1959
Seite: 82
(PDF, 62 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1959/0084
Getier. Nur daß sie die Weideplätze in immer weiterer Abgeschiedenheit suchte.
Solches wurde erst richtig merkbar, als in einem trockenen Sommer das Gras in
den gewohnten Gründen dorrte und das Löhle am Hange eine Kuppe, so „das
Köpfel" geheißen war, nahrhaften Kräuterwuchs fand.

Durch ungezählte Jahre, in denen der Hirtin Haare gebleicht waren, hatte sie
ihres Amtes gewaltet, in hoher Achtung stand die Achtzigjährige — da kam der
Leutpriester vom Pfarrhof zu Ottarsweiler, die uralt vertrauten Götter zu stürzen.
In behutsamer Geduld senkte er die Lehre vom Christengott Korn um Korn,
pflanzte er Stäudlein um Stäudlein in die Herzen des jungen Geschlechtes, das um
des Gemütes Not der Lohe nicht wußte. Was die Kleinen glaubten, fand Eingang
auch bei den Müttern, und da das alternde Löhle in der Wahl seiner Tränklein
aus schwindendem Wissen verschiedentlich fehlzugreifen begann, gewann der
Künder des Christengottes, der neue Wege der Heilung ging, auch Achtung bei
den Männern. Der Lehre von der Liebe begegnete das Löhle mit Haß, und vertrauter
ward der Neunzigjährigen die Gemeinschaft ihrer Herde denn die der
Menschen.

Bitterstes geschah der Hundertjährigen, als Räude ihre Herde befallen hatte
und Stück um Stück, weil sie der eingebrochenen Seuche nicht kundig war, dem
Schindanger verfiel. Da stand die Gemeine auf: vor dem zur Hilfe bereiten Leutpriester
hatte die Lohe ihre Herde durch mancherlei Listen in den Wäldern zu
bergen gewußt. Jetzt sandte man ihm Botschaft, er möge gegen die Räude seines
Gottes Segen sprechen. Der Lohe ward geboten, die Herde auf dem Köpfel zu
halten. Sie heischte eine Nacht Frist zum Bedenken; beim Frühmahl gab sie folgenden
Entscheid: „Der Leutpriester mag sich bereit halten; Tag und Stunde
werde ich der Gemeine zu wissen tun; ihr alle, von den ältesten der Männer und
der Frauen bis zu den Kleinsten, so noch an der Mutter Brust sich nähren, sollt
den Ring um mich, die Herde und den Leutpriester schließen!"

Ein Raunen ging durch die Hütten: die Lohe wolle, dieweilen der Priester den
Segen spreche, die Arme zum Asaheim aufrecken. Auf einen Wettstreit des
Christengottes mit den Göttern ging sie aus! Durfte solches geschehen? — Ließ
man der Lohe den Willen, dann beging man Zweifel an des neuen Gottes Allmacht
, Schimpf tat man ihm. Wie aber, wenn die Götter doch die Stärkeren
wären? — Furcht und Sorge hießen die Gemeine schweigen. Der Aldermann schlug,
da er im Pfarrhof der Lohe Ladung vorbrachte, vor dem forschenden Blicke des
geistlichen Herrn die Augen nieder, so entging ihm das feine Lächeln des Vielerfahrenen
. „Es sei!" beschied er den Boten. „Weil ich anders nicht an die Herde
komme." Und hieß die Wirtschafterin, ihm eine Zehrung zu reichen. Beschwerten
Sinnes war der Geletzte gekommen, noch bangeren Herzens schritt er wieder zu
Berge.

Eines schwülen Tages — es war im Erntemond — kam der Leutpriester mit
zwei Meßbuben und dem Küster, der ein bepacktes Maultier führte. „Wisset",
sprach der Gottesmann, „der Segen leitet mein Werk erst ein; dieses selbst aber
beruht auf dem Wissen, mit dem der Herr mich begnadet hat, und mein Werk
reiht sich an den Gang auf das Köpfel. Unterweilen bereitet jeder Haushalt einen

82


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1959/0084