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die meisten Mönche wurden in andere Klöster verschickt und die Zahl der Schwar-
zacher Klosterinsassen auf den Abt und zwei Konventualen beschränkt.
Die Ortenauer Klöster haben niemals eine so hohe kulturelle Bedeutung gehabt
wie etwa die großen Bodenseeklöster und manche Abteien des Elsaß. Ihre literarische
und künstlerische Tätigkeit scheint sich, soweit wir uns nach den spärlichen
Zeugnissen ein Urteil erlauben dürfen, in bescheidenen Grenzen gehalten zu haben.
Dennoch mußte der Niedergang des Seelsorge- und Unterrichtswesens, der mit
ihrem sittlichen und wirtschaftlichen Verfall verknüpft war, auf das geistige Leben
von verhängnisvollem Einfluß sein, dies um so mehr, als es in der Ortenau an
größeren Städten fehlte, deren aufstrebendes Bürgertum die kulturelle Überlieferung
des entarteten Mönchtums hätte aufnehmen und fortbilden können. Einzig
in OfTenburg entfaltete sich seit Ende des 15. Jahrhunderts regeres geistiges Leben.
Eine um 1490 errichtete Buchdruckerei bildete einen gewissen Anziehungspunkt
für Gelehrte von Ruf, wie den Schulmann Gervas Soupher, seinen Schüler, den
Rechtsgelehrten Wendelin Bittelbrunn, den Historiographen Paul Volz und andere.
Aber diese Offenburger Gelehrtenrepublik war doch nur ein Ableger des Wimphe-
lingschen Humanistenkreises und konnte sich mit den Mittelpunkten der humanistischen
Bildung wie Straßburg und Schlettstadt an Bedeutung nicht messen.
Die politischen und kirchlichen Zustände des Deutschen Reichs im 15. Jahrhundert
, wie wir sie in dem engeren Raum der Ortenauer Geschichte gespiegelt
sahen, hinterlassen keinen erfreulichen Eindruck. Aber eben aus der Zersplitterung
und Verwahrlosung, die allen Verhältnissen des menschlichen Lebens ihr Zeichen
aufdrückte, erhob sich der Ruf nach Neuerung und Besserung mit wachsender Stärke.
Die Ziele, denen man zustrebte, wie die Mittel, deren man sich zu ihrer Erreichung
bediente, sind so mannigfach und wechselnd wie die menschliche Natur selbst.
Von den theoretischen Reformplänen menschheitbeglückender Schreibtischweisheit
bis zu den niedrigsten Schmäh- und Zankschriften, von den Reichs- und Kirchen-
reformversuchen, die auf Reichstagen und Konzilien von den Spitzen der Nation
beraten wurden, bis zur verzweifelten Selbsthilfe bedrängter Bauernhaufen, deren
Blick am Nächstliegenden haftete, durchlief der Drang nach Erneuerung des Lebens
eine Stufenleiter verschiedenster Ausdrucksformen, die dem geschichtlichen Leben
dieser Epoche einen eigenartigen Reiz verleihen. Wenn schließlich jedes Zeitalter
den Übergang vom Vergangenen zum Kommenden bildet, so gibt es doch Geschichtsperioden
, denen dieser Übergangscharakter in ganz besonderer Weise eignet.
Die Zeit von der Mitte des 13. bis zum Anfang des 16. Jahrhunderts kann man in
diesem prägnanten Sinn als Übergangsepoche bezeichnen. Die universalen Mächte
des Mittelalters sanken dahin, Hierarchie und Feudalismus machten neuen Gestaltungen
des staatlichen und kirchlichen Lebens Platz. Im Inneren festigte sich die
vielfältige Menge der Territorien zu eigenartigen Staatsgebilden, die noch auf
Jahrhunderte den Rahmen für das politische Leben der Nation abzugeben bestimmt
waren, während daneben das erstarkte Bürgertum der Städte auf geistigem und wirtschaftlichem
Gebiet zu einer führenden Stellung aufstieg. Neue internationale Beziehungen
und Gegensätze schufen eine gänzlich veränderte Kräfteverteilung, die
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