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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
40. Heft.1960
Seite: 202
(PDF, 128 MB)
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gehende Einquartierung eines Regiments in sechs Dörfern lehrreich. So läßt sich
denn ermessen, daß die Gesamteinbuße der Ortenau an Volksvermögen im Verlauf
des Krieges, in Geld ausgedrückt, einen unermeßlichen Betrag erreicht haben muß.

Daß diese beispiellose Verarmung des Volkes die Wiederkehr normaler Verhältnisse
auf Jahre und Jahrzehnte hinaus unmöglich machen mußte, ist selbstverständlich
. Der Propst Norbert Hodapp von Allerheiligen konnte zwar schon vier Jahre
nach dem Westfälischen Frieden, im November 1652, aufatmend in seinem Tagebuch53
) vermerken: „Hoc et sequenti mense — laus Deo — haben die bauren
widerum angefangen, ziemlicher massen gilten liefern, welches in vilen jähren nit
mehr geschehen war ... ist auch widerum zum ersten mahl etwas am zehenden zu
Legelshurst geliffert worden", aber die Untertanen des Amtes Oberkirch mußten im
gleichen Jahr um Ermäßigung der Abgaben einkommen, die sie in der geforderten
Höhe nicht entrichten könnten, ohne sich ganz zu ruinieren54). Daß die früheren
Steuerleistungen nicht sofort wieder erreicht werden konnten, ist schon aus der gewaltigen
Bevölkerungsabnahme verständlich. Auch hier lassen sich aus einigen Einzelfällen
wenigstens ungefähre Rückschlüsse auf die Gesamtverluste anstellen. So war
etwa die Einwohnerschaft der Stadt Lahr auf ein Viertel ihres früheren Bestandes
zusammengeschmolzen, Renchen zählte nur noch 17 Bewohner gegenüber 180 vor
dem Kriege. Die dem Kloster Schwarzach zugehörigen Dörfer, die vor dem Kriege
550 Bewohner gezählt hatten, wiesen noch im Jahr 1650 nur eine Bevölkerungsziffer
von 155 Menschen auf.

Noch weniger quellenmäßig greifbar als die materiellen Schäden ist naturgemäß
die Einbuße an kulturellen Gütern, die durch die Auflösung aller Bande staatlicher,
örtlicher und häuslicher Ordnung, den Mangel an Erziehung und Unterricht, die
allgemeine sittliche Verwilderung hervorgerufen wurde. Wer davon ein lebendiges
Bild haben will, wird aus dem zeitgenössischen Simplizissimus-Roman, der Land-
störtzerin Kurasche und anderen Schriften Grimmelshausens mehr Gewinn davontragen
als aus den Ergebnissen gelehrter Forschung. Gerade für die Ortenau
können ja die literarischen Erzeugnisse dieses Mannes, der hier den größten Teil
seines Lebens verbracht hat, einen besonderen Wert als Geschichtsquellen beanspruchen
.

Einen tiefen, aber unsagbar unerfreulichen Einblick in die sittlichen Verhältnisse
dieser Zeit gewähren auch die Akten und Protokolle der Hexenprozesse, die für die
Ortenau zum Teil veröffentlicht sind55). Seitdem zu Ende des 15. Jahrhunderts das
Papsttum die Hexenverfolgung sanktioniert und die Inquisitoren Krämer und
Sprenger in Verbindung mit dem aus Ettenheim gebürtigen Konstanzer Geistlichen
Johann Gremper den berüchtigten „Hexenhammer" geschrieben hatten, war der
Irrwahn des Hexenglaubens in ständiger Ausbreitung begriffen, aber er hat doch,
ohne daß man die Gründe dafür klar aufzeigen könnte, wenigstens in unserer

53) Baier, Die zeitgenössischen Aufzeichnungen des Propstes Norbert Hodapp von Allerheiligen 1640—1653.
ZGORh. NF. 32, 118.

54) Karlsruhe, GLA Specialia Oberkirch Amt. Kriegssache Konv. 8.

5B) Vgl. Franz Volk, Hexen in der Landvogtei Ortenau und Reichsstadt Ottenburg. Lahr 1882; Rest,
Fttenheimer Hexenprozesse im 17. Jhd., Ortenau III 38.

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