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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
40. Heft.1960
Seite: 218
(PDF, 128 MB)
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am Oberrhein, gab es aber bald an den Feldmarschall Thüngen ab. Die zahllosen
Enttäuschungen, die er erleben mußte, der Verdruß darüber, daß seine guten Absichten
und wohlerwogenen Pläne an der Verständnislosigkeit des Wiener Hofes
und der Unzulänglichkeit der Reichskriegsverfassung scheitern mußten, das niederdrückende
Gefühl, mit einer unzureichenden, schlecht ausgerüsteten und disziplinlosen
Armee seinen großen Aufgaben hilflos gegenüberzustehen, hatten seine durch
die Strapazen zahlreicher Feldzüge angegriffenen Kräfte vorzeitig zerrüttet. Erst
52 Jahre alt starb er am 4. Januar 1707 in seinem neu erbauten Schloß zu Rastatt.

Die Westmark des Reiches hatte in ihm ihren unermüdlichen Beschützer verloren.
Nach seinem Tode hielten auch die von ihm geschaffenen Bühler Linien, die in den
letzten Jahren wenigstens die Markgrafschaft und den nördlichen Teil der Ortenau
gegen feindliche Einfälle gesichert hatten, dem Ansturm der Franzosen nicht mehr
lange stand. Im Mai vollzog Villars bei Neuburg unterhalb Lauterburg einen durch
Scheinmanöver geschickt verschleierten Rheinübergang, wodurch sich der Markgraf
von Bayreuth im Rücken bedroht und zu schleunigem Rückzug nach Durlach genötigt
sah. Die Bühler Linien, die ihr Erbauer Ludwig Wilhelm in fünf Feldzügen
siegreich verteidigt hatte, fielen nun fast ohne Schwertstreich in die Hand der Franzosen
. Villars besetzte die ganze Ortenau und nutzte seinen Sieg nach Kräften aus.
Dem Mordbrennersystem Melacs huldigte er nicht, ihm kam es darauf an, aus den
eroberten Gebieten möglichst viel Geld herauszuholen; so wurde allein der Markgrafschaft
Baden-Baden eine Kontribution von 100 000 Reichstalern auferlegt, die
sich nur mit Mühe auf 70 000 herabsetzen ließ.

Größere Kriegsoperationen fanden nun bis zum Ende des Krieges in der Ortenau
nicht mehr statt, aber die Plünderungszüge, welche die Franzosen unter dem Marschall
Harcourt regelmäßig von Straßburg und Fort Louis aus unternahmen, brachten
ihr alljährlich die schwersten Heimsuchungen. Gerade in diesen Jahren ist die
immer wieder bis aufs Blut ausgesogene Bevölkerung völlig verarmt. Verzweifelt
schrieb der Ortenauer Amtmann im Januar 1714 an die badische Regierung: „Schließlichen
es will kein end nehmen mitt denen Ahnforderungen, vnd die Ortenaw ist
dermahlen in solch miserablem standt, daß deren Errettung kaum zu sehen66)."

Zwei Monate später wurde zu Rastatt der Friede Frankreichs mit dem Kaiser geschlossen
, dem im September zu Baden in der Schweiz der Friedensschluß mit dem
Reich folgte. Für die Ortenau ergab sich aus den Friedensbestimmungen keine Veränderung
, Kehl fiel wieder an das Reich zurück und blieb ebenso wie die Landvogtei
bei der Markgrafschaft Baden-Baden. Von einschneidender Bedeutung war der Tod
Ludwigs XIV., der ein Jahr nach dem Abschluß dieses Friedens eintrat und in der
nach Osten gerichteten Ausdehnungspolitik Frankreichs einen vorläufigen Stillstand
herbeiführte. Die vormundschaftliche Regierung des sittenlosen Herzogs von Orleans
und die Friedensliebe des Kardinals Fleury, der seit 1726 im Namen des jungen
Königs die Politik leitete, verschafften den gequälten Landen am Oberrhein zwei
Jahrzehnte einer seit Menschenaltern kaum noch vom Hörensagen bekannten Ruhe.

Erst im Jahre 1733, als die polnische Erbfolgefrage einen neuen
Waffengang der Großmächte veranlaßte, erscholl wieder der Kriegslärm auf den

öf!) Karlsruhe, GLA, Akten Landvogtei Ortenau 457.

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