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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
42. Jahresband.1962
Seite: 29
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der Generalfeldmarschall Graf Götz, dessen Leibdragoner vom Herbst 1636 bis
zum Frühjahr 1638 in Soest garnisoniert waren. Wenn es auch umgeformt wurde,
so scheint es doch dasselbe Regiment zu sein, mit dem Grimmelshausen 1638/39
im Schwarzwald Winterquartier bezog; im Frühjahr 1638 nämlich zog Graf Götz
mit seiner Armee von Westfalen nach dem Oberrhein, um dem Vordringen des
Herzogs Bernhard von Weimar entgegenzutreten. Das ist im Roman richtig dargestellt
.

So sehr sich Wirklichkeit und Romandarstellung nun wieder voneinander entfernen
, so ist doch der Anschluß der Lebensgeschichte nach der einen Seite hin
erreicht und die noch bestehende biographische Lücke auf zwei Jahre verringert.
Es bleibt nur noch die Frage offen, wie der dreizehnjährige Knabe, den die Hessen
1635 nach Kassel brachten, in kaiserliche Dienste gelangt ist. Der Roman stellt es
so dar, daß der Reuterjunge nach der Schlacht bei Wittstock in der Gemmer Mark,
einem Wald zwischen Hamm und Soest (richtiger Günner Mark, einem zur Gemeinde
Günne gehörigen Wald), von den kaiserlichen Dragonern gefangen wurde.
Er gerät nachher wieder in die Hände der Gegenpartei und wird vom Kommandanten
von Lippstadt für die schwedische Seite als Fähnrich in Pflicht genommen.
Die Frist von sechs Monaten, die ihm für den Übergang gegönnt wird, ist mit
romanhaften Liebesabenteuern ausgefüllt. Was daran erlebt sein mag, dürfte nur
der Konflikt sein, in den der Wechsel zwischen den zwei kämpfenden Parteien das
soldatische Pflichtgefühl versetzte. Hier muß eine Selbstrechtfertigung liegen;
Grimmelshausen selbst muß einen ähnlichen Übergang vollzogen haben. Es ist nur
zu vermuten, daß der Hergang in umgekehrter Folge sich vollzog, nämlich daß
der hessische Reuterjunge zur Lippstädter Garnison gehörte und daß er von den
Götzschen Dragonern in Westfalen aufgegriffen und in ihre Reihen gesteckt wurde.

Nach den Pariser Abenteuern im vierten Buch des Romans, für die ein Erlebniszusammenhang
nur in der Figur des französischen Arztes, der mit Dr. Küffers
Großartigkeit ausgestattet ist, erblickt werden kann, wird der Held von dem
Gipfel zweifelhaften Glücks in tiefes Elend gestürzt. Er schlägt sich als Quacksalber
und Leutebetrüger bis zur deutschen Grenze durch. Dort wird er aufgegriffen
und, nachdem er sich als ehemaliger kaiserlicher Dragoner von Soest zu erkennen
gegeben, zum Musketier der Philippsburger Garnison gepreßt. Das entspricht wieder
dem eigenen Schicksal, das im „Simplicissimus" einmal sprichwörtlich formuliert
wird: „Wenn ein Dragoner vom Pferd fällt, so stehet ein Mußquetierer
wieder auff." Bei der Darstellung der badischen Rheinfestung Philippsburg, die im
Dreißigjährigen Krieg eine wichtige Rolle spielte, fehlt jede Lokaltreue; aber die
inneren Verhältnisse stimmen in mancher Hinsicht mit denen Offenburgs überein,
das Grimmelshausen aus begreiflichen Gründen nicht nennen wollte. Philippsburg
ist an der Stelle von Offenburg als Garnison des Musketiers eingeführt. Damit ist
die Kette der im Roman verarbeiteten Erlebnisse geschlossen.

In den Rahmen dieses äußerlich festgelegten vierundfünfzigjährigen Lebenslaufes
, der von verwahrloster Knabenzeit und stürmischem Kriegsschicksal zu
bürgerlicher Seßhaftigkeit und behäbiger Amtswaltung fortschreitet, gilt es nun,

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