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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
42. Jahresband.1962
Seite: 31
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Weil andre Vögel schlafen sein
Und nicht mehr mögen singen:
Laß dein Stimmlein
Laut erschallen, denn vor allen
Kannst du loben

Gott im Himmel hoch dort oben.

Daß er seinen Romanhelden mit Lautenspiel Gefallen erregen läßt, mag ein literarisches
Motiv sein; in einem späteren Buch des „Simplicissimus", das sich der
Weltabsage und dem Einsiedlerleben im Schwarzwald nähert, erfolgt ein plötzlicher
Umschwung; da bricht ein Haß aus gegen die Musik als Ausdruck der
Weltlust, und die Laute wird in tausend Stücke geschmissen.

So übertrieben sie ist, so darf diese Stelle doch wohl mit einiger Vorsicht für
den weiteren Bildungsgang des Schriftstellers in Anspruch genommen werden. Es
heißt dort vom Simplicius, daß ihm das tote Wissen der Grammatici und Schulfüchse
verleidet wurde; er gelangte darauf zur Astronomie und Astrologie, zur
Alchimie und Theosophie.. Er verlor sich in die dunklen Tiefen des faustischen
Jahrhunderts. Enttäuscht von der „großen Kunst" des Raymundus Lullus machte
er sich, wie die Naturphilosophen der Renaissance, hinter die Cabalam der Hebräer
und die Hieroglyphicas der Egyptier: „fände aber die allerletzte und auß allen
meinen Künsten und Wissenschafften, daß kein besser Kunst sey als die Theologia,
wann man vermittelst derselbigen Gott liebet und ihm dienet".

Diese Steigerung suchenden Erkennens hat Grimmelshausen selbst erlebt, wenn
auch nicht in tiefer Ergründung und beharrender Versenkung, so doch als aufmerksamer
Beobachter aller geistigen Bewegungen seines Zeitalters. Die Stufenfolge der
Bildungsschichten braucht nicht ganz in der gleichen Reihe durchlaufen zu sein;
aber das steht fest, daß auf den ersten, naturhaft unbefangenen Blick ins Leben ein
lernbegieriges Anklopfen an die Pforten der Wissenschaft folgte. Dazu können die
Offenburger Jahre die erste Gelegenheit gegeben haben. Der Schauenburgische
Regimentssekretarius Johannes Witsch, dessen Schreibstube dem jungen Musketier
zur Fortbildungsschule wurde, war ein studierter Mann, der die Universität als
Magister der Freien Künste verlassen hatte. Bei ihm gab es viel zu lernen, und
wenn es nicht die Grammatica der Schulfüchse war, die den Weiterstrebenden
befriedigte, so wurde ihm vielleicht hier schon der Weg gezeigt zu den enzyklopädischen
Sammelwerken, die als Konversationslexika der Zeit und Mittel der
Selbstbildung zur Verfügung standen. Eines davon, des Thomas Garzonius
„Piazza Universale", muß er in der deutschen Übersetzung, die unter dem Titel
„Allgemeiner Schawplatz" 1619 in Frankfurt a. M. erschienen war, selbst besessen
haben: er hat Auszüge daraus auf verschiedene Werke verteilt; sie speisen seine
gesamte Schriftstellern auf Jahre hinaus in einer langsam abnehmenden Dichte.
Am reichlichsten ist das erste Werk „Der satyrische Pilgram" (1666) mit Lesefrüchten
gespickt, aber auch der „Ewigwährende Kalender" erteilt dem Garzonius
unter dem Namen Zonagrius für einen Diskurs über Wahrsager und Kalender-
macherei das Wort. Auch die weiteren Hilfsmittel der Kalenderschriftstellerei wie
die „Introductiones" des Frankfurter evangelischen Theologen Johannes von

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