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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
42. Jahresband.1962
Seite: 37
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düng dem Garzonius, Hans Sachs und Moscherosch folgen. Geschichtlich sind die
Greuel des Krieges und der Humor des Soldatenlebens, die mit einer einzigartigen
bunten Lebenswahrheit aus dem Farbtopf der eigenen Erfahrung koloriert sind*
romanhaft die Abenteuer. Das Rückgrat des Organismus ist in den Lebensregeln
des Einsiedlers, sich selbst zu erkennen, böse Gesellschaft zu meiden, und beständig
zu bleiben, sichtbar; die Glieder kommen zu zweiseitiger Auswirkung in den
Begleitern Herzbruder und Olivier, die wie ein guter und böser Genius nach rechts
oder links mit sich ziehen; die Gelenke sind in dem ständigen Wechsel elastischer
Nachgiebigkeit nach beiden Seiten in Bewegung gesetzt, und der Kopf ist ein von
allen Lebenserfahrungen durchfurchtes Antlitz, in dem sich Leidenszüge mit närrischer
Spottlust, Sinnesfreude mit ironischer Überlegenheit mischen, das Ecce homo
des Menschen, der den Dreißigjährigen Krieg mitgemacht hat. Der symmetrische
Aufbau der Handlung, soweit sie Roman ist, steht in bezug der Teile untereinander
unter dem Gesetz der Fünfzahl, wie es die fünf Bücher des Ur-Simplicissimus
zeigen. Die Basis der Pyramide liegt im ersten und fünften Buch; beide sind durch
die gleichen dumpfen Motive Verlust der Heimat und Wiederfinden von Knan und
Meuder, Aufklärung über die Herkunft und Rückkehr ins Einsiedlerleben des
Vaters verknüpft. Das zweite und das vierte Buch, in denen der Held als willenloses
Spielzeug der Lebenswellen herumgeworfen wird, entsprechen einander in
den erotischen Motiven. Ein ähnliches Spiel, wie es der närrische Knabe des zweiten
Buches in Hölle und Himmel über sich ergehen lassen muß, wird im vierten mit dem
Beau Alman im Venusberg getrieben. Das Untertauchen ins niedere Soldatenleben,
die Wiederbegegnung mit Olivier und die Erfüllung von Herzbruders Prophezeiung
bedeuten weitere Zusammenhänge.

Darüber erhebt sich nun das dritte Buch als Gipfel. Hier kommt die auf sich
selbst gestellte Kühnheit des Jägers von Soest zu Ruhm und Ansehen, so daß man
in ihm schon einen jungen Johann de Werth erblickt. Ihm wird ein erhabenes
Ziel der Zukunft gezeigt, als ihm ein Geisteskranker begegnet, der sich als den
Gott Jupiter ausgibt und den Entschluß verkündet, die Welt zu retten. Ein teut-
scher Held soll erweckt werden, der allem Streit ein Ende machen wird mit der
Errichtung eines deutschen Weltreiches, mit Herstellung einer Einheitsreligion, mit
Aufhebung der Leibeigenschaft und allen Ausgleichen einer sozialen Reform: „als-
denn wird, wie zu Augusti Zeiten, ein ewiger beständiger Fried zwischen allen
Völckern in der gantzen Welt seyn." Satire, Geschichtsbild und Roman treffen in
dieser patriotischen Phantasie zusammen; satirisch ist die Einkleidung, die einen
Wahnsinnigen zum Künder hoher Ideen macht — wahrscheinlich hat der Dichter
bei der Gestalt dieses Gottes Jupiter an das verstiegene Mitglied der von ihm gern
verspotteten preziösen Straßburger Tannengesellschaft Jesaias Rompier von
Löwenhalt gedacht; geschichtlich sind die Weltverbesserungsideen, die gegen Ende
des Krieges nicht nur schwärmende Chiliasten, sondern auch besonnene Staatsmänner
und Philosophen in Anspruch nahmen und die hier in einem Brennpunkt
gesammelt sind; romanhaft ist es, daß dieser Lichtstrahl hoher Sehnsucht gewissermaßen
vom Himmel herab in die Seele des Helden geworfen wird und daß dieser,
wie Parzival beim ersten Betreten der Gralsburg, versagt. Er ist nicht berufen, die

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